Hummel Hummel …
Andreas Eikenroth: Hummel mit Wodka
Paul, Ina und Helge sind wieder da. In Andreas Eikenroths neustem Comic wird das offene Ende des letzten Werks Die Schönheit des Scheiterns einfach entfinalisiert und fröhlich weitererzählt. Wäre vielleicht auch schade um die Charaktere, die im Vorgänger ihr humoreskes Potential noch nicht so ganz entfalten konnten. Diesmal weicht, entsprechend der Titel beider Werke, zynische Existenzangst, einem tendenziell lebensbejahenderem Enthusiasmus (und mehr Blödelei). Scheitern ist immer noch Thema, aber die kleinen Aktionen und Chancen des jungen Erwachsenenlebens werden positiv als das betrachtet, was sie sind: Episoden.
In Hummel mit Wodka geht es also nicht vordergründig darum, den Lebensweg, sich selbst, oder den Clou zu finden, sondern darum, ein bisschen was zu unternehmen. Eine Tour mit der Band, zum Beispiel. Es geht auch darum, einfach mal was Neues zu starten und dann zu schauen, wo das hinführt, anstatt anderen ihren Unternehmergeist zu missgönnen. Im Fokus steht dabei Paul, der mit Sporen, Peitsche und Zuckerbrot versucht, seine dezent eingerostete Band Katzov zu motivieren, das voll erforschte Gießen zu verlassen und ein bisschen durch Hamburg zu touren. Schnell ist Pauls Motivation dahinter entlarvt: „Wohnt da nicht deine Fernfickaffäre?“ fragt ihn der unbeeindruckte Schlagzeuger der gemeinsamen Band. Ina kennen wir aus Eikenroths Vorgängerwerk Die Schönheit des Scheiterns. Darin verbaselt Paul, seiner Gefühle wenig Herr, die Chance mit Ina, die aber auch auf ihrer Seite unbestimmt und wankelmütig durchs Leben driftet – ohne viel verraten zu wollen.
Nach einigen Unstimmigkeiten in der Tour-Planung reist Paul mit zwei AushilfsmusikerInnen in die Hafenstadt, wo weiterhin fröhlich von einer kleinen Misere in die nächste geschliddert wird. Hier treffen wir dann auch den reißerisch im Klappentext angekündigten „Ninja-Dread“ und den „erstaunlichen Russen“. Auch wenn die Story im wörtlichen Sinne schlagfertiger und somit auch konstruierter daherkommt als die des Vorgängers, überzeugt diese dennoch durch recht glaubwürdige Erzählstränge und liebenswerte Charaktere. Slice-of-life ist eben nicht gleich Slice-of-life. Während in Die Schönheit der Scheiterns durchs Leben taumelnde Gestalten, voller widersprüchlicher Ideen, ihre Frustration über sich, die Welt und den Konflikt zwischen Kunst und Kleingeistigkeit in Alkohol ertränken zu versuchen, fließt Bier und Schnaps nun großteilig in feucht-fröhlichem Feierambiente. Der Ernst des Lebens klingt immer wieder an, doch das aktuelle Projekt – die Mini-Tour mit der Band, zum Beispiel – ist wichtiger. So landet Paulchen auch in der Fortsetzung, ganz so wie anno dazumal mit Co-Protagonistin Ina, mit einer diesmal eher flüchtigen Bekanntschaft in der Kiste. Doch ist diese auffallend flüchtig, der Filmriss ist auffallend klaffend, die Reue am Morgen danach ist erschreckend groß und der Eklat mit fliegenden Fäusten, als schließlich der Freund der Dame nach Hause kommt, schlägt so ganz andere Töne an, als das matte Auseinandergehen von Paul und Ina in Eikenroths Debüt.
Überhaupt scheint es, dass der leise anklingende Charme eines Stadtporträts in Hummel und Wodka verloren geht. Logischerweise, könnte man sagen, denn eine Stadt wie Hamburg lässt sich auf 100-nochwas Comicseiten nicht einfangen. Das ist selbstverständlich schon bei kleineren Städtchen wie Gießen kompliziert und vielleicht ja auch eher ein Nebeneffekt authentischen Schreibens (schließlich handelt es sich hierbei um Autor Eikenroths Heimat). Beschränkt wird sich also auf einen Ausschnitt Hamburger Kneipenkultur aus Touri-Sicht. Die Wirkung eines Wochenendes Großstadt auf die bereits etablierten Charaktere ist das, was im Mittelpunkt steht. Da ist sowieso wenig Raum übrig für tiefgehende Kontemplation. Da wird herumgelaufen, getrunken, neue Leute getroffen, neue Erfahrungen gemacht und Missverständnissen aufgesessen.
Im Allgemeinen sind die Charaktere, egal ob neu oder alt, einfach zu verstehen: Schwabenrusse Fabian/Ivan trinkt gerne Wodka, Uwe mag Hamburg und schlägt gerne über die Stränge, Paul ist voller Tatendrang, aber auch irgendwie ein bisschen faul und egoistisch, Ina hat ihre gekünstelte Verkopftheit (aktuell) beiseite gelegt und ist offen und zugänglich für die einfachen Dinge des Lebens. Entwicklung passiert hier am meisten zwischen den Bänden, so scheint es. Nach der Lektüre des ersten Teils (nennen wir es mal den ‚ersten Teil‘) ist es aber durchaus interessant, zu sehen, was die fiktionale Bande am Ende aus dem ganzen gemacht hat und wie diese wohl, ein paar Monate später, so ticken. Hummel mit Wodka wird daher unter Umständen ohne Kenntnis des Vorgängers etwas schwieriger zu verstehen sein. Die Story mitverfolgen zu können ist hierbei keinesfalls unmöglich, doch ein bisschen vorher geleistete Charakterisierung geht selbstverständlich flöten, kennt man Die Schönheit des Scheiterns nicht.
Lustige Missverständnisse, Hamburger Mundart und Kneipenkultur, das alles mit Happy End. Die beiden Werke gleichen sich und tuns doch nicht. Als Fortsetzung funktioniert Hummel mit Wodka sicherlich, doch der Gestus des nahezu willkürlich wirkenden Herausgreifens, der dem Begriff Slice-of-Life im Vorgängerwerk alle Ehre macht, ist dahin, sobald es einen deutlichen Spannungsbogen gibt. Das hat natürlich Vor- und Nachteile: Die Story kommt insgesamt runder, aber auch konventioneller daher. Ein paar lose Enden aus dem ungeschliffen wirkenden Vorgänger werden verknotet, die Motivationen der Charaktere wirken nachvollziehbarer. Empfehlenswert ist also die Lektüre beider Heftchen (viele Seiten haben die auch nicht). Eine fortlaufende Serie über das Erwachsenwerden der Clique könnte vielversprechend sein. Die bisher angeschnittenen Themen sind hierbei grundsätzlich lebensnah, aber (bisher) fern von jeder Tragödie. Jugendkultur und Zeitgeist mit Pop-Referenzen dienen als Leinwand für kurzweilige Stories mit mehr oder weniger Identifikationsmöglichkeiten und verdienen in jedem Fall den ‚Comedy mit ein bisschen Anspruch‘-Genrestempel.
Wer gerne Comickunst aus Deutschland lesen möchte und sich vielleicht ein bisschen in den porträtierten Heranwachsenden mit Hamburger Schule inspirierter Hobbyband wiedererkennt, fährt mit den Bänden von Andreas Eikenroth nicht schlecht. Dann aber bitte mit Die Schönheit des Scheiterns anfangen!
Andreas Eikenroth: Hummel und Wodka. Erschienen bei und freundlicherweise für fischpott zur Verfügung gestellt von Edition 52. ISBN 978-3-935229-64-7.
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