Backcountry – Gnadenlose Wildnis
Was kann man erwarten, wenn einem schon das Cover eines Films werbewirksame Zitate wie „Ein Höllentrip“ und „Du wirst nie wieder campen gehen“ um die Ohren haut? Richtig eine Gruppe dummer Teenies, die sich im Wald verlaufen und dort … Halt, stopp, so war das ja gar nicht. REWIND. Whoosh, gut, nochmal von vorne. Backcountry basiert lose auf einer wahren Begebenheit.1 Die Kanadier Jaqueline Perry und Mark Jordan wurden dabei auf einem Camping-Trip im Missinaibi Provincial Park von einem Schwarzbären angegriffen und teilweise schwer verletzt (harmlos ausgedrückt). In Backcountry geht es dabei um Jenn (Missy Peregrym) und Alex (Jeff Roop), denen Ähnliches widerfährt.
Aber von vorne. Alex möchte mit seiner Partnerin Jenn ein verlängertes Campingwochenende irgendwo in der Wildnis verbringen. Dies ist ihm quasi eine Herzensangelegenheit, da er in seiner Jugend sehr viel Zeit in dieser Gegend verbracht hat und es da einen ganz besonderen Ort gibt, den er ihr unbedingt zeigen will. Während Alex durchaus der kernige Naturbursche ist (naja, doch, so halbwegs), ist Jenn quasi typische Stadtfrau. Mit Smartphone, wenig Interesse an Wandertrips, durchaus sportlich und überhaupt. Immerhin macht sie Alex zuliebe den Trip mit und ist auch nicht die ganze Zeit nörgelig, sondern motiviert dabei (nachdem sie ihr Telefon wegpacken musste und sich mit Notfall-Leuchtfackel und Anti-Bär-Spray ausgestattet hat). Am Park angekommen benimmt sich Alex dann aber doch ein wenig dumm. Vom Ranger am Park-Check-in wird er noch extra auf die Sperrung eines bestimmten Teils des Parks und die hohe Strafe von 500 Dollar pro Person (kanadische Dollar, geht also noch) bei Verstoß hingewiesen und explizit gefragt, ob er denn eine Karte der Gegend möchte. Natürlich nicht, auch auf nochmaliges Nachfragen und den temporären Titel „Mr. No-Map“ reagiert er ebenso wenig. Gut, dass Jenn bei der Unterhaltung wahrscheinlich gerade durch Facebook, Twitter oder Instagram abgelenkt war, sonst wäre die Karte sicher im Rucksack gelandet.
Wer den Film gern sehen will – und der Film ist sehr sehenswert – kann gern den nächsten Absatz überspringen, auch wenn ich versuche, mich mit Spoilern zurückzuhalten.
Nach einer kurzen Kanufahrt landet das Paar in der Wildnis und Alex verletzt sich – auch das noch – den Fuß, indem das Kanu unglücklich auf selbigen landet. Aber so einen Schmerz kann man ja quasi weglaufen, wenn man einfach weiter macht. Alle drei Zuschauenden (Cathy, Domme und ich) waren da durchaus der Ansicht, dass man da schon richtigerweise umgekehrt wäre. Aber gut, am ersten Abend treffen sie noch den etwas dubiosen Wanderer Brad (Eric Balfour), den Jenn zu Alex’ Unbehagen direkt zum Abendessen einlädt (immerhin hat er ein Bündel frische gefangener Fische dabei). Brad führt sonst Touristengruppen durch die Wildnis, hat einen lustigen irischen Akzent und ist vielleicht ein wenig strange, aber sicher nicht Die Gefahr™ für Jenn & Alex. Aber wie es ist, wenn zwei Alpha-Tiere am Feuer sitzen; es kommt doch immer ein wenig zum Hahnenkampf. Nach weiteren zwei Tagen stellen Jenn und Alex fest, dass sie sich verlaufen haben (ach!) und begegnen auch noch einem ausgewachsenen Schwarzbären.
Mehr verrate ich nicht, ist eh schon etwas zu viel Information.
Was den Film richtig gut macht, ist seine spannende und sehr intensive Atmosphäre. Alex und Jenn sind nach anfänglichen Dummheiten durchaus real. Sie verhalten sich, finde ich jedenfalls, zwar nicht sehr pärchenhaft bzw. das Drehbuch hat diesen Aspekt nicht so ausgearbeitet aber so schlimm ist das jetzt nicht. Außerdem wird Missy Peregrym im weiteren Verlauf des Films richtig gefordert und es kommen einige Szenen, bei denen ich nur „Autsch, oh weia, nicht doch!“ etc. dachte. Die Kamera ist dabei immer schön nah am Geschehen und versucht quasi, Jenns POV einzunehmen bzw. sie zwar von außen zu zeigen, aber durch immer wieder eingesetzte Unschärfe uns nicht mehr sehen zu lassen als sie gerade sieht. Das geht soweit, dass die Kamera kurzfristig komplett unscharf schaltet wenn Jenn für kurze Zeit benommen ist. Durch den Verzicht auf künstliche Beleuchtung wirkt auch alles sehr realistisch, Wälder sind nachts nun mal dunkel und man sieht quasi nichts. Und genau das kommt hier auch schon rüber, wenn die Sonne auch nur dabei ist unterzugehen.
Außerdem löste der Film zumindest bei uns direkt das „Was würden wir jetzt tun?“-Kopfkino aus und, ehrlich gesagt, wir hatten keine bessere oder andere Lösung als die im Film präsentierte. Wenn man sich ohne Karte und möglicherweise auch noch ohne Telefon oder Navigationsmöglichkeit in einer sehr waldreichen Region verläuft, dann hat man nicht viele Optionen. Vor allem wenn Nahrung und Wasser knapp werden. Klar, das übliche geht immer: Einem Flusslauf folgen, öfter Anhöhen aufsuchen, um Hilfe rufen. Aber wenn es jetzt gerade keinen Flusslauf gibt und auch von Anhöhen alles gleich aussieht kann man eigentlich nur in eine Richtung laufen und hoffen, irgendwo rauszukommen (und dabei nach Anhöhen und Flüssen suchen). Ich weiß noch, ich war bei meinen Eltern mal im Wald, da wollte ich nur kurz zu einem Aussichtsturm und dann zurück. Die Gegend kannte ich recht gut, allerdings war ich Jahre vor Kyrill dort und deshalb sah vieles anders aus und die Wege waren teilweise auch neu. Jedenfalls wollte ich auf dem Rückweg nur noch ein wenig anders gehen und noch diesen Weg probieren. Und siehe da, ich hab mich verlaufen und aus einer Stunde im Wald wurden fast 3 Stunden. Nicht weiter schlimm, so groß sind deutsche Mischwälder mit Wanderwegen nicht, aber wie aufgeschmissen wäre ich dann in einem großen Nationalpark ohne Karte und Kompass. Zumal in Kanada die Entfernungen auch schon mal etwas anders sind als hierzulande. Das zeigt der Film auch schon gut am Anfang, als das Paar mit dem Auto über endlos wirkende Straßen fährt, links und rechts eingesäumt von Bäumen.
Wenn im Film Musik eingesetzt wird, dann geschieht dies eher spärlich, es gibt gegen Ende ziemlich coole Ambient-Musik, aber zum Glück erspart man sich einen dauerhaften Soundtrack. Der Film baut seine Spannung eher durch eine durchgehend gesteigerte Verzweiflung der Protagonisten auf, die einen auch die anfänglichen Dummheiten schnell verzeihen lassen.
Wer also einen wirklich spannenden Thriller mit Survival-Thematik in der Natur sehen will und die Schnauze voll hat von Jump-Scares, Hillbillies mit Kettensägen und Zombies sollte Backcountry eine Chance geben. Ich finde, es lohnt sich, da der Film seine Nische perfekt ausfüllt und zu keiner Zeit langweilt oder unnötig dramatisiert wirkt. Für ein Erstlingswerk ist Regisseur und Autor Adam MacDonald ein durchaus beeindruckender Film gelungen. Sehr beeindruckend auch der Schwarzbär, der laut Abspann auch wirklich ein trainiertes Tier war. Ich hätte da ja als Schauspieler eher keinen Bock drauf, Bären sind doch saugefährlich (oder?).
Geschaut haben wir in englischem Originalton. Es lassen sich wahlweise deutsche oder englische Untertitel zuschalten (wer hier öfters mitliest: Endlich mal ein Label, das auf meine Wünsche eingeht!!), deutsche Synchro ist natürlich auch dabei. Da der Film auf künstliche Beleuchtung verzichtet ist der Kontrast sicher nicht immer optimal, aber hier trägt das sehr zur Atmosphäre bei. Uns wurde freundlicherweise ein Testmuster der Blu-Ray zur Verfügung gestellt. Backcountry ist seit dem 10. Juli 2015 überall erhältlich und bei einer Laufzeit von ungefähr 90 Minuten ungeschnitten frei ab 16 Jahren.
- Näheres kann man hier nachlesen: www.filmewahrebegebenheiten.wordpress.com/tag/mark-jordan/ ↩
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