Chronicle
Mach endlich mal die Kamera aus!
Pseudodokumentarische Handkamera-Filme sind nicht erst seit „Paranormal Activity“ der letzte Schrei: Die so genannten „Found Footage“-Machart soll dem Zuschauer suggerieren, das Filmgeschehen aus der Sicht des die Handlung filmenden Protagonisten zu beobachten. Dazu kommt noch das ominöse Geraune, alles basiere auf „wahren Begebenheiten“. 1999 startete „The Blair Witch Project“ den Trend. Doch Hollywood war schnell auf den Zug aufgesprungen: Nach Cloverfield, Rec, Paranormal Activity 1-Drölf und unzähligen weiteren Beispielen ist man das Klischee von panisch verwackelten Bildern und dem bis zur Schmerzgrenze auftauchenden Satz „Jetzt mach endlich die Kamera aus!“ einfach leid. Kann Chronicle von Regisseur Josh Trank, der neuste Low Budget-Kassenschlager in den USA dem Genre neues Leben einhauchen?
Der schüchterne Außenseiter Andrew beschließt, mit einer Kamera seinen Alltag aufzuzeichnen. Er muss sich mit einem alkoholisierten Vater, einer kranken Mutter und Mobbing in der High School herumschlagen. Gemeinsam mit seinem Cousin Matt und seinem Kumpel Steve entdeckt er eines Nachts einen geheimnisvollen Tunnel, darin ein noch geheimnisvolleres Kristallobjekt. Am nächsten Morgen stellen die drei fest, dass sie über telekinetische Superkräfte verfügen. Zu Beginn nutzen sie diese vorwiegend für Streiche und Experimente, doch mit der Zeit wird besonders Andrew immer stärker und beginnt Rache an seinen Peinigern zu nehmen. Können seine Freunde ihn aufhalten?
Wie bereits gesagt: Der Found Footage-Ansatz ist nicht neu und unglaublich klischeebehaftet. In Chronicle ist die subjektive Kamera jedoch ein zweischneidiges Schwert: Die Tatsache, dass die Geschichte überwiegend aus Andrews Sicht gefilmt wird, bietet den Vorteil, dass man mit ihm und seiner Situation aus erster Hand mitleidet, was ihn sympathisch und seine Charakterentwicklung umso verständlicher macht. Auch der Wackelfaktor hält sich angenehm in Grenzen.
Sag mal, filmst Du mich gerade?
Auf der anderen Seite bremst die Machart des Films die Story an sich des Öfteren aus, da er sich permanent „rechtfertigen“ muss, warum noch immer gefilmt wird. In der Realität hält man nun mal nicht in allen Lebenslagen mit der Kamera drauf. Umso bemühter wirkt es zudem, wenn der Film dann Abwechslung in seine Kameraführung bringen will: Dass die Protagonisten ihre Telekinese-Fähigkeit an der Kamera trainieren und so für improvisierte Kamerafahrten sorgen, ist noch halbwegs plausibel. Doch später werden recht realitätsfern immer mehr Menschen mit Kameras in die Szenerie gestopft, um verschiedene Perspektiven oder simple Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen zu erhalten, was dann im krachigen Finale richtig lächerlich wird.
Sieht man jedoch über dieses Manko hinweg, erkennt man in Chronicle einen sehr soliden, durchweg unterhaltenden Film. Das liegt nicht zuletzt an den sympathischen Charakteren. Trotz der kurzen Laufzeit von 83 Minuten erhalten sie eine zwar recht simple, aber nachvollziehbare Entwicklung, die langsam aber sicher auf die finale, unausweichliche Eskalation zusteuert. Die Hauptdarsteller spielen sehr natürlich und mitreißend, was zu dem semidokumentarischen Stil des Films beiträgt und dafür sorgt, dass man bis zum Schluss mit ihnen mitfiebert.
Keine Chronik der Langeweile
Die Story verläuft etwas vorhersehbar, dennoch wird es niemals langweilig. Der Aufbau ist in sich schlüssig und linear: Besonders in der ersten Hälfte, in der die Protagonisten ihre Kräfte entdecken und ausprobieren, ist temporeich und witzig geraten und wartet mit – gerade für einen Low-Budget-Film – sehr überzeugenden, realistisch anmutenden Effekten auf. Einzig der Subplot mit Matts Freundin (die günstigerweise einen Videoblog betreibt und permanent filmt – na?) ist etwas unnötig und wirklich nur dafür da, um mehr Kameraeinstellungen zu kriegen. Die sich zunehmend zuspitzende Handlung gipfelt schließlich in einem storytechnisch wenig überraschenden, dafür umso konsequenteren Finale, das in Sachen Epik und Schauwerten mit den großen Hollywood-Blockbustern mühelos mithalten kann.
Wer eine Superhelden-Alternative zu den Avengers sucht oder einfach Fan von Filmen à la Cloverfield oder Paranormal Activity ist, kann mit Chronicle definitiv nichts falsch machen.
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