Der Schrecken der Medusa
Rezension von Ralf Sandfuchs
Die Siebziger waren zwar vor allem das Jahrzehnt der Katastrophenfilme, sie brachten uns aber auch eine ganze Reihe von Filmen über Menschen mit speziellen Fähigkeiten und die Gefahren, die sie darstellen. Der Schrecken der Medusa ist ein zu Unrecht relativ unbekanntes Werk, das diese beiden Bereiche miteinander kombiniert.
Der Mann, der Katastrophen herbeiwünscht
Der Autor John Morlar (Richard Burton) wird in seiner Londoner Wohnung erschlagen, überlebt den Angriff jedoch knapp und liegt danach im Koma.
Der französische Austausch-Inspektor Brunel (Lino Ventura) stößt bei seinen Untersuchungen auf die Psychologin Dr. Zonfeld (Lee Remick), die Morlar wegen seiner Wahnvorstellungen behandelt hat. Der Mann war nämlich der Meinung, er könne einfach durch seinen Willen Katastrophen auslösen.
Je tiefer Brunel jedoch in die Vergangenheit des Opfers vorstößt und je mehr er sich mit dessen Unterlagen beschäftigt, desto größer werden seine Zweifel, ob nicht doch mehr hinter den Hirngespinsten des Autors steckt. Und er fragt sich, ob Morlar vielleicht noch vom Krankenbett aus seinen grausigen Einfluss auf die Welt ausüben kann.
Ein filmisches Kind der Siebziger
Der Schrecken der Medusa basiert auf dem Roman The Medusa Touch von Peter van Greenaway von 1973. Im Buch war der untersuchende Polizist eigentlich ein Inspector Berry von Scotland Yard, der in fünf weiteren Büchern Fälle mit übernatürlichen Untertönen untersuchte; im vorliegenden Film von 1978 wurde daraus jedoch der französische Inspektor Brunel (vermutlich, um französische Investoren zufriedenzustellen).
Der Film lebt über weite Strecken von der intensiven Darstellung Richard Burtons, der zwar eigentlich nur in Rückblenden auftritt, aber dabei die Leinwand absolut beherrscht. Allerdings passt auch die grummelige Ruhe Lino Venturas, die sich nur selten in dann umso heftigeren Emotionen entlädt, hervorragend zum Rest des Films (leider wurde er im Original vom britischen Schauspieler David de Keyser synchronisiert, weil man fürchtete, das Publikum würde sein Englisch nicht verstehen). Generell ist der Film bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzt, und ältere Semester werden den einen oder anderen Film- und Fernsehschauspieler der Siebziger wiedererkennen, der hier teilweise auch gegen seinen Typ besetzt wird (so tritt Gordon Jackson, der knallharte Chef der Anti-Terror-Einheit CI5 aus der Serie Die Profis, als überforderter Arzt auf).
Selbst die Trickaufnahmen der Katastrophenszenarien haben dem Zahn der Zeit bemerkenswert gut widerstanden. Besonders eine Aufnahme, in der ein Flugzeug in ein Hochhaus kracht, ist noch immer beeindruckend anzusehen und wirkt in der Zeit nach 9-11 vielleicht sogar gruseliger und eindrucksvoller als damals.
Die Mediabook-Ausgabe
Die Neuauflage von Koch Media enthält neben Blu-ray und DVD noch ein 16-seitiges Booklet mit vielen weiteren Informationen zum Film.
Der Schrecken der Medusa war bislang nur in einer 2006 erschienenen DVD-Version erhältlich, die jedoch keine Extras aufwies und auch in Sachen Bild- und Ton-Qualität nicht wirklich herausragend war. Wie schwach diese Version war, fällt erst im Vergleich mit der neuen Mediabook-Ausgabe auf, die auf beiden Formaten zeigt, wie viel man aus dem bestehenden Material herausholen konnte.
In den ersten Szenen des Films ruckelt das Bild der Blu-ray manchmal ein wenig, wird dann aber schnell sehr klar und sehr detailreich.
Leider fallen die Extras auf beiden Formaten spärlich aus, denn bis auf ein unkommentiertes „Making-Of“, das eher eine B-Roll darstellt (also eine Sicht der Aufnahmen aus einem anderen Blickwinkel und während der Vorbereitung einzelner Szene) und einen (zugegebenermaßen interessanten) Audiokommentar gibt es hier nicht viel zu sehen.
Fazit
Wenn man einem mehr als vierzig Jahre alten Film eine solche Sonderausgabe zugesteht, muss es sich doch eigentlich um ein vergessenes Meisterwerk handeln, möchte man meinen.
Doch eine solche Einschätzung wäre sicherlich vermessen. Wer bei Filmen, die nicht in den letzten zwanzig Jahren gedreht wurden, normalerweise die Nase rümpft, wird vermutlich auch hier den Daumen nach unten recken. 1978 bezeichnete Filmkritiker Roger Ebert den Film gar als den schlechtesten Film des Jahres, doch in den Jahrzehnten danach erwarb er sich unter Freunden außergewöhnlicher Genre-Filme einen gewissen Kultstatus.
Der seltsam erscheinende Titel bezieht sich übrigens auf die Sagengestalt Medusa, die als eine von drei Gorgonen geschaffen wurde, um mit ihren besonderen Fähigkeiten gegen die Götter zu kämpfen. Es wird schon zu Anfang klar, dass John Morlar in diesem Fall die Rolle einer solchen Gorgone zufallen könnte.
Der Schrecken der Medusa entzieht sich dennoch einer klaren Genredefinition. Ist er ein Katastrophenfilm? Ein Krimi? Horror? Science-Fiction? Vielleicht all das, aber vielleicht auch einfach etwas eigenes. Er ist auf jeden Fall ein Film, wie man ihn heute nicht mehr drehen würde, dafür ist er zu ruhig, lässt sich zu viel Zeit beim Aufbau seiner Geschichte, setzt über weite Strecken auf Dialoge und zeigt oft nur subtile Zeichen dessen, was eigentlich vorgeht.
Man sollte also wissen, worauf man sich bei diesem Film einlässt. Für mich gehört Der Schrecken der Medusa schon lange zu meinen Lieblingen, und als Fan kann ich natürlich nur empfehlen, sich die Neuauflage in ihrer ganzen Qualität anzusehen.
Der Schrecken der Medusa ist am 30. Januar 2020 als Mediabook erschienen.
Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar des Mediabooks von der Firma Koch Media GmbH erhalten.