The Expanse: Staffel 3
Die wohl intelligenteste Science-Fiction Serie der letzten Jahre geht in die dritte Runde – und ist besser als je zuvor. Auf geht’s, Beltalowda!
Die Gesellschaft hat sich in das Weltall verlagert, ruhiger und entspannter ist die Situation dabei jedoch keinesfalls geworden: Die Welt im „Expanse“-Universum, basierend auf der erfolgreichen Buchreihe von James S. A. Corey, war schon in den ersten beiden Staffeln ein Pulverfass, das jederzeit durch die kleinste Provokation hochgehen konnte – und das bevor ein außerirdisches Protomolekül mit seiner eigenen blau-glibberigen Agenda mutierten Sand im Getriebe streute. Das fragile politische Dreieck zwischen der rücksichtslosen Erde, dem kriegstreiberischen Mars und den aufständischen Gürtelbewohnern („Belter“) war und ist Dreh- und Angelpunkt der Serie. Mittendrin im Trubel und mit blinder Sicherheit stets zur falschen Zeit am falschen Ort: Die Crew des gestohlenen marsianischen Kriegsschiffs „Rocinante“, bestehend aus dem abtrünnigen Kapitän James Holden (Steven Strait), der wechselhaften Belterin Naomi Nagata (Dominique Tipper), dem marsianischen Flugwunder Alex Kamal (Cas Anvar) und dem mysteriösen wie gewalttätigen Amos Burton (Wes Chatham).
Zu Beginn der dritten Staffel1 scheint nun das zu passieren, was von Anfang an befürchtet wurde: Krieg bricht aus. Keine der Fraktionen spielt dabei mit offenen Karten. Nach einem Verrat befindet sich Secretary der Vereinten Nationen Chrisjen Avasarala (Shohreh Aghdashloo) mit Hilfe von Gunnery Sergeant Roberta „Bobbie“ Draper (Frankie Adams) auf der Flucht. Auf Seiten der Belter muss sich Camina Drummer (Cara Gee) mit einem neuen Kommandeur (David Strathairn) und dessen geheime Motivationen herumschlagen. In all dem Durcheinander wird die wahre Bedrohung allerdings übersehen: Das Protomolekül steht kurz davor, seine nächste Entwicklungsstufe zu erreichen. Die einzigen, die hinter das tödliche Geheimnis des außerirdischen Elementes kommen können, bevor es zu spät ist: Die Crew der „Rocinante“. Doch auch an Bord von James Holdens Schiff ist die Lage alles andere als entspannt – denn auch hier gibt es Verrat …
Keine Zeit für Neueinsteiger: Staffel 3 von The Expanse setzt direkt da an, wo die letzte Staffel auf einem unerträglichen Cliffhanger geendet hatte und die Handlung bewegt sich von da aus in einem atemberaubenden Tempo vorwärts. Die beiden Showrunner Mark Fergus und Hawk Ostby ziehen alle Register – sowohl in Sachen Story als auch in Sachen Effekten: Für eine Mid Budget-SciFi-Serie sieht The Expanse verdammt gut aus, besonders in den beeindruckenden Weltraumschlachten. Von besonderer Faszination ist dabei erneut die Detailverliebtheit im Produktionsdesign: Kostüme, Kulissen und vor allem die Konzeption der Raumschiffe sind bis aufs Kleinste durchdacht.
Das gilt auch für die Handlung: Nicht zuletzt dank ihrer Buchgrundlage wirkt die Welt, die die Serie über die letzten Staffeln aufgebaut hat, in sich logisch und plausibel und so wirken auch die daraus entstehenden Konflikte und Eskalationen – anders als in vielen anderen Genreshows – nicht konstruiert, sondern nachvollziehbar und schlüssig. Und oh, Junge, in Staffel 3 sind Eskalationen quasi an der Tagesordnung. So sehr The Expanse nach wie vor in der Charakterisierung ihrer Hauptfiguren schwächelt, so sehr macht der Serie keiner was vor, wenn es um plötzliche Plotwendungen und temporeiche Spannungsmomente geht. In den besten Momenten, wenn alle vermeintlich zerfaserten Handlungsstränge zusammenlaufen, sollte man sich am besten einen neuen Satz Armlehnenpolster gönnen, denn aus diesen Fingernagelkrallattacken kommt der Sessel oder die Couch nicht heile heraus.
Die dritte Staffel ist dabei, wie schon in Staffel 2, in zwei Hälften gespalten. Nach einem nachhaltigen Paradigmenwechsel in Folge 6 hat sich die Ausgangslage für die Charaktere von The Expanse so stark verändert, dass es fast wie eine völlig neue Staffel wirkt. Im Gegensatz zu Antibeispielen wie Lost ruht sich The Expanse nämlich nicht auf ihren Mysterien aus, sondern eröffnet nach und nach, was wirklich hinter dem Protomolekül steckt, ohne es zu entzaubern: Es bleibt auch nach dem großen Twist nach der Staffelhälfte so unerklärlich wie mächtig, mit einem Hauch Lovecraft zur perfekten Würze. Das Molekül ist allerdings nicht die einzige Bedrohung im Expanse-Universum: Neben den politischen Machtkämpfen, doppelten Spielen und geheimen Motivationen einiger Charaktere ist in Staffel 3 einer der größten Feinde unserer Figuren ausgerechnet Gravitation beziehungsweise die Konsequenzen abrupter Be- und Entschleunigungen. Bei einer Sci-Fi-Serie von „Realismus“ zu sprechen, zieht in der Regel einen großen Rattenschwanz an Diskussionen nach sich, aber man merkt, dass sich die Serienschöpfer einige Gedanken gemacht haben: Einer der grausamsten Momente der gesamten Serie geschieht nicht als Folge von Außerirdischen oder mordlüstigen Figuren, sondern ausgerechnet durch ein plötzlich verlangsamtes Schiff.
In meiner letzten Review zu The Expanse hatte ich die etwas schwache Charakterisierung der Hauptfiguren kritisiert, allen voran von Protagonist Kapitän James Holden. In Staffel 3 merkt man nun endlich, dass ich Steven Straits Performance ein wenig Unrecht getan habe: Gerade in der zweiten Staffelhälfte löst seine Figur sich ein wenig aus dem hölzernen Gerechtigkeitssinn und bekommt einige der besten Momente (die Momente purer Panik und Verzweiflung, während die Situation rund um Holden außer Kontrolle geraten, funktionieren vor allem dank Strait so gut, wie sie es tun). Auch die restliche Crew der Rocinante bekommt einige zusätzliche Charakter-Nuancen beschert – trotzdem fallen einige von ihnen etwas ab. Gerade Naomis Charakter leidet ein wenig unter konstruiert wirkenden Konflikten und ein zwei ungewöhnlichen Momenten purer Dummheit von ihr. Doch auch hier zeigt sich die Detailverliebtheit der Serienmacher an einigen Stellen: Sobald Naomi unter Beltern ist, wird ihr Akzent plötzlich deutlich stärker – ein fabelhafter wie realistischer „Code switching“-Moment.
In einem Universum so voll wie das von The Expanse scheint es kontraproduktiv zu sein, weitere neue Figuren einzuführen, doch die Neuzugänge passen wunderbar in die Handlung und bereichern die Welt der Serie durch intelligent geschriebene Dialoge und Momente. Da ist zum Beispiel die fantastische Elizabeth Mitchell als Dr. Anna Volovadov, die als hervorragende Diplomatin mit Herzblut zu einem der absoluten Highlights in den politischen Ränkespielen der Serie wird und auch in der zweiten Staffelhälfte einige Glanzmomente spendiert bekommt. Und so sehr Jared Harris der Serie schmerzlich fehlt, so sehr bekommen wir einen mehr als gleichwertigen Ersatz in der Form von David Strathairn als Belter-Commander Klaes Ashford. Der Schauspielveteran dominiert jede Szene, in der er ist und frühstückt sich nur so durch seine akzentstarken Monologe, ohne dabei Cara Gees Performance als Camina Drummer zu überschatten: Jede einzelne Szene zwischen den beiden ist ein absolutes Fest und zementiert The Expanse als eine der besten Serien, die derzeit in einem mehr als überfluteten Markt zu finden ist.
Nicht alle Handlungsstränge funktionieren so perfekt (die sehr spät eingeführte, geheimnisvolle Melba Koh gehört dabei zu den größten Fehlschüssen der Serie), aber insgesamt ist The Expanse der absolute Königsstandard, was intelligent geschriebene Science Fiction angeht. Staffel 3 zieht das Tempo gehörig an, ohne dabei an Qualität einzubüßen. Es passiert nicht häufig, dass mich ein Folgencliffhanger beinahe atemlos zurücklässt und The Expanse gelingt dieses Kunststück gleich mehrfach. Schade nur, dass eine der größten und wirksamsten Überraschungen bereits in den Intro-Credits der betreffenden Folge gespoilert wird.
Nach drei Staffeln zog The Expanse-Haussender SyFy unverständlicherweise den Stecker. Rettung kam, glücklicherweise, in Form von Amazon Prime, die der Serie eine verdiente vierte Staffel spendierte. Nach einem erneut begeisternden Cliffhanger, der Staffel 3 beendete, kann man da nur sagen: Hell yeah, beratna!
Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der Staffel als Blu-ray Discs erhalten.
- erschienen bei Pandastorm ↩
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