Ipcress – Streng geheim
Working Class Hero
Der britische Agententhriller Ipcress – Streng geheim aus dem Jahr 1965 ist jetzt als Mediabook mit zwei Blu-rays und einer DVD bei Koch Films (jetzt Plaion Pictures) erschienen.
„The fellow whose job I’m taking, will he show me the ropes?“ „Maybe – if you’re in touch with the spirit world.“
Schon in den ersten paar Minuten von Ipcress sehen wir, dass dieser Agent nicht James Bond ist. Harry Palmer (Michael Caine) greift beim Weckerklingeln neben sich auf die leere Betthälfte, sieht nur verschwommen, bis er seine Brille aufsetzt und macht sich dann den Kaffee selbst. Aber der erste Eindruck täuscht, denn Palmer ist mindestens so aufmüpfig wie Bond. Und Glück bei den Frauen hat er auch.
Zunächst einmal wird Palmer versetzt. Sein Chef Colonel Ross befiehlt ihm, eine Einheit der Spionageabwehr unter Major Dalby zu unterstützen. Denn vor kurzem ist der Atomphysiker Radcliffe verschwunden, sein Bewacher aus Dalbys Einheit ermordet. Dalby vermutet, dass ein undurchsichtiger Geschäftsmann namens Grantby mit albanischen Kontakten hinter der Entführung steckt und dass man Radcliffe mit einem Lösegeld freikaufen kann. Jetzt muss Grantby nur gefunden und kontaktiert werden.
„Do you always wear your glasses?“ „Yes. Except in bed.“
Schnell findet Palmer heraus, dass es mehr als zwei Seiten in diesem Konflikt gibt. Ross scheint Dalby nicht zu trauen – und umgekehrt. Palmers attraktive Kollegin Jean Courtney ist anscheinend von einem der beiden beauftragt, Palmer auf der Spur zu bleiben.1 Bald findet Palmer ein mysteriöses Tonband mit der Aufschrift „Ipcress“, auf dem aber nur technische Störgeräusche zu hören sind. Bald macht auch ein toter CIA-Agent Ärger und letzten Endes läuft anscheinend alles auf Gehirnwäsche in einem albanischen Gefängnis hinaus. Oder?
„I was counting on you being an insubordinate bastard, Palmer.“
Ipcress – Streng geheim erweist sich zu recht als ein Klassiker des Agententhrillers. Harry Palmer ist ein Gegenentwurf zu Bond – nicht brutal, vulgär und übertrieben sondern smart und auf dem Boden geblieben. Wirklich realistisch ist das Abenteuer des Cockney-sprechenden Brillenträgers aus der Arbeiterklasse aber wahrscheinlich auch nicht. Das ist bei einer Geschichte um Doppelagenten und Gehirnwäsche aber auch egal, wenn sie unterhält. Und das tut sie, vor allem wegen des sympathischen Hauptdarstellers Michael Caine, den geistreichen, pointierten Dialogen und der clever inszenierten Action. Den letzten Schliff geben der Soundtrack von John Barry und die ungewöhnliche Kameraführung von Otto Heller. Der Kamerablick durch Schlüssellöcher und Gefängnisgitter, über Schultern und aus Telefonzellen zieht das Publikum in die Handlung.
My Generation
Zum Zusatzmaterial des Mediabooks gehört auch die Doku My Generation von 2017, in der Michael Caine und andere Vetreter seiner Generation wie zum Beispiel Twiggy oder Paul McCartney über den Wandel der britischen Gesellschaft in den Sechzigern reden, unterlegt von zahlreichen Aufnahmen der Zeit. Damals eroberten sich Cockneys, Mitglieder der Londoner Arbeiterklasse, ihren Platz in der Gesellschaft. Caine und andere wurden trotz – oder sogar wegen ihrer Herkunft – zu Stars. Die Doku schildert diesen Umbruch als soziale Revolution in Großbritannien.
Auch dank der Doku My Generation ist das Mediabook eine absolute Empfehlung für alle, die Agententhriller und/oder die Sixties lieben. Das einzige Manko sind die fehlenden Untertitel für Gehörlose. 2020 sollten die absoluter Standard sein.
Ipcress – Streng geheim ist am 30. Januar 2020 als Mediabook erschienen. Wir haben ein Rezensionsexemplar der Discs von Koch Films erhalten.
- Wobei es zwischen den beiden natürlich knistert und eine Affäre beginnen. ↩