The Expanse: Staffel 2
Sich in Zeiten von Trubel, Terror, Trotteln und Twitter-Präsidenten nach den Sternen zu sehnen und der Menschheit einen Neuanfang im Weltall zu wünschen, ist nicht besonders weit hergeholt. Unendliche Weiten bedeuten immerhin unbegrenzte Möglichkeiten. Umso ernüchternder, wenn eine Serie wie The Expanse zeigt: Menschliche Dummheit und politisches Köppe-Einschlagen hört auch in der Schwerelosigkeit nicht auf – und dann sind da noch diese lästigen, tödlichen Lebensformen…

Intelligente Science-Fiction war schon immer mehr ein Liebhabergenre, vor allem im TV. Zugegeben, sowohl die Treks als auch die Wars unter den Stars erfreuen sich bis heute einer breiten kommerziellen Ausschlachtung, hässliche Nerd-Kriege inklusive. Aber von diesen Franchises einmal abgesehen hat das Genre Science-Fiction auf dem heimischen Bildschirm oft mit geringen Zuschauerzahlen und drohender Einstellung zu kämpfen: Unter Nerds sind unaufhaltsame Weinkrämpfe garantiert, sobald ein trockener Huster auch nur ansatzweise dem Wort Firefly ähnelt. An der Qualität liegt es in der Regel nicht – Firefly, Joss Whedons nach nur einer Staffel gecancelter Weltraum-Western, gilt nicht zuletzt dank intelligenter Wortgefechte und gut geschriebenen Figuren bis heute als verehrte Kultserie – aber das Resultat bleibt dennoch gleich: Science-Fiction (ohne leuchtende Schwerter) ist kein Publikumsmagnet.
Das bekam auch The Expanse zu spüren. Die in den USA in der dritten Staffel befindliche Serie wurde nach selbiger von ihrem Haus- und Hofsender SyFy (ausgerechnet!) gecancelt. Wahrscheinlicher Grund: Zu teuer, zu wenig Zuschauer. Die Serie hat aktuell eine neue Heimat bei Amazon gefunden, aber die Problematik bleibt trotzdem bestehen. Hierzulande ist nun die zweite Staffel auf DVD, BluRay und auf Streamin-Plattformen erschienen; höchste Zeit also, einen genaueren Blick auf The Expanse zu werfen.
Stresstest im Weltall
Nach den Ereignissen in der ersten Staffel hat sich die politische Lage in The Expanse Staffel 2 alles andere als entspannt. Der fragile Waffenstillstand zwischen Mars und der Erde wird auf eine ernste Probe gestellt. Dreh- und Angelpunkt ist der Asteroid Eros, der nach illegalen Experimenten mit dem tödlichen, außerirdischen „Protomolekül“ ein beängstigendes Eigenleben entwickelt hat. Erneut liegt es an dem rebellischen Kapitän James Holden (Steven Strait) und seiner Crew auf dem Schiff „Rocinante“, eine Katastrophe zu verhindern, unterstützt von Eigenbrötler Joe Miller (Thomas Jane) . Das gestaltet sich als schwieriger denn je: Ein mysteriöser Angriff auf eine marsianische Patrouille unter Sergeant Bobbie Draper (Frankie Miller) droht, die Situation zu eskalieren, während UN-Funktionärin Chrisjen Avasarala (Shohreh Aghdashloo) entdeckt, dass sie in ihren eigenen Reihen niemandem mehr trauen kann.

Nachdem Staffel 1 von The Expanse gerade zu Beginn etwas frustrierend zu gucken sein konnte, weil man erstmal in die Welt der Serie hineinkommen musste (dankenswerterweise verzichtet The Expanse auf unnötig gestelzte Erklärungsblöcke und wirft den Zuschauer mitten ins Geschehen), kann Staffel 2 ohne Anlauf direkt in medias res gehen, denn wir kennen nun die Schauplätze und ihre Figuren. Und das nutzen die Showrunner Mark Fergus und Hawk Ostby auch direkt aus. Die Handlungsstränge sind noch mitreißender als in Staffel 1 und teilweise unfassbar intensiv. Die Twists wirken nie aufgesetzt, sondern sind stets nachvollziehbar in den Plot integriert. Hinzu kommt die visuelle Komponente: The Expanse sieht einfach geil aus. Man merkt die liebevollen Details und in den sauber inszenierten Action-Szenen wurde das limitierte Budget sichtbar bis zur Schmerzgrenze ausgeschöpft.
Plasmakanonen und Risse im Smartphone-Bildschirm
Denn was The Expanse seit Staffel 1 schon so besonders macht, ist die…ich nenne es mal „Textur“ der Serie. Klar, wir haben Raumschiffe, Hologramme und Technogebrabbel noch und nöcher. Aber alle Technik folgt einer internen Logik – was passiert, wenn mal ein Raumanzug reißt; wie bewegt man sich bei fehlender Schwerkraft fort; wie setzt man sich gegen Torpedos zur Wehr – und, was noch viel besser ist: Sie ist häufig sichtbar gebracht. Raumanzüge haben Kratzer, Bildschirme sind verschmiert, Millers Smartphone-ähnliches Gadget hat einen dicken Riss im Bildschirm etc. Es sind oft nur Kleinigkeiten und Hintergrunddetails, aber sie helfen enorm dabei, dass sich das Universum in The Expanse lebendig und dynamisch anfühlt.
Bei so viel politischem Geschacher und hochspannenden Weltraumschlachten kommen die Charaktere zwangsläufig etwas kurz. Das bessert sich auch in The Expanse Staffel 2 nicht wirklich. Die Crew der Rocinante ist jetzt nicht unbedingt unsympathisch, besticht aber auch nicht gerade durch ausgefeilte Charakterzeichnung. Das heißt nicht, dass die Figuren in The Expanse uninteressant sind, aber von den reichen Figurenwelten eines The Wire oder Mad Men ist das trotzdem etwas entfernt. Was in diesem Fall aber nicht schlimm ist, denn es reicht vollkommen aus: Genug, damit der Zuschauer bei allen Plotverflechtungen nicht das Interesse verliert und nach wie vor mit unseren Protagonisten mitfiebert.

Aus dem Ensemble heraus sticht immer noch der unterschätzte Thomas Jane als Miller. Während Steven Strait als Protagonist James Holden nach wie vor in manchen Szenen etwas blass und fast ein wenig nervtötend bleibt, wertet Janes Präsenz jede Szene, in der seine Figur auftaucht, sichtbar auf. Dank der ausführlichen Vorarbeit, die Staffel 1 geleistet hat, ist Miller neben UN-Funktionärin Chrisjen Avasarala einer der nachvollziehbarsten und interessantesten Charaktere der Serie und einige der besten Momente der ganzen Staffel gehören ganz ihm. Nicht schlecht für einen Schauspieler, der einfach nur seine Kinder zurück haben will.
Warum ist diese Serie nicht längst so groß wie Lost?
Hinzu kommt in The Expanse Staffel 2 Bobbie Draper und damit ein so willkommener wie dringend benötigter Fokus auf Mars und seine Bewohner. Man bekommt endlich einen klareren Blick auf die Beweggründe der in Staffel 1 noch recht undurchsichtigen Marsianer sowie einen nachvollziehbaren Eindruck, warum sie so schlecht auf die Erde zu sprechen sind. Auch die Perspektive der unterdrückten, zunehmend aggressiver werdenden Gürtler (die ausgebeutete Arbeiterklasse auf den Asteroiden…wow, was ne Alliteration) erhält einige augenöffnende Details, nicht zuletzt in den Gastauftritten von Weltklasse-Charakterdarsteller Jared Harris, dessen Figur seine Szenen absolut dominiert.
The Expanse fristet ein Nischendasein, das die Serie nicht verdient hat. Auch Staffel 2 überzeugt durch seine Mixtur aus Action, Politthriller, Mystery und Science Fiction sowie durch das bis ins kleinste Detail durchdachte world building. In jeder Szene ist das Herzblut, das Macher wie auch Schauspieler in die Serie investiert haben, spürbar und man kann The Expanse nur wünschen, dass Mundpropaganda der Show endlich die Zuschauerzahlen und den Erfolg beschert, den sie verdient.

Fischpott-Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der DVDs zur Staffel erhalten.
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