Lasst uns über Star Wars: Die letzten Jedi reden
Der mittlerweile neunte Film über Weltall-Zauberer kam heraus. Sehr viele Menschen hatten Meinungen. Ich auch. Über Franchises, Nostalgie, Fan-Sein und das Internet. Es wird Spoiler geben.
Chill mal, es sind nur Filme.
Das ist eine Aussage, die kommt sonst in der Regel von Menschen, die noch nie andere Menschen angebrüllt haben, dass sie dumm sind, weil sie gerade 2001 – Odyssee im Weltraum einen langweiligen Haufen pseudointelligenter Standbilder genannt haben. Oder die noch nie jedem dahergelaufenen Fremden, der nicht bei drei rechtzeitig auf die Toilette geflüchtet ist, erklärt, warum Aliens ein hochgradig überbewerteter Film und Game of Thrones seit Staffel 5 schon scheiße ist. Diese Menschen sind in der Regel besser als ich. Sie haben außerdem wahrscheinlich nicht viel Spaß im Leben.
Filme und Filmdiskussionen gehören zur Popkultur und zum Alltag einfach dazu. Sich über Meinungen zu streiten sowieso. Argumente werden ausgetauscht, Sichtweisen dargeboten und gerne wird es dabei auch mal leidenschaftlich. Manch ein irregeleiteter Honk fühlt sich sogar dazu berufen, seine unqualifizierte Meinung in Kulturblogs kundzutun. Auf der letzten Grillparty der Fischpott-Redaktion haben wir nichts Anderes gemacht, als einen ganzen Nachmittag lang über Filme und Serien zu streiten. Je populärer dabei das Werk, über das man so daherdiskutiert, desto zahlreicher und vielfältiger die Meinungen. Und damit sind wir bei Star Wars.
Wenn eines in den letzten Wochen Internet klar geworden ist – abgesehen davon, dass unser aller Leben zur Zeit von einem cholerischen orangen Hefekloß aus Übersee abhängt – dann die Tatsache, dass es einen Punkt gibt, ab dem leidenschaftliche Diskussion in Fanatismus abdriftet. Star Wars: Die letzten Jedi ist im Kino und es gibt wohl kaum einen heftiger polarisierenden Multimillionen-Dollar-Blockbuster. Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn wie die Pest. Der Großteil der Meinungen liegt irgendwo dazwischen. So wie meine.
Vom Scheitern, Loslassen und Ginger-Nazis
Star Wars: Die letzten Jedi ist…interessant. Hochinteressant. Und das ist mehr, als ich von allen bisherigen Filmen der Reihe sagen kann, inklusive der Klassiker. Sie sind mal mehr, mal weniger unterhaltsame Space-Opern mit offensichtlichen Anleihen und Einflüssen bei Akira Kurosawa, alten Space-Serials und Leni Riefenstahl (upps…). Viele vergöttern die Original-Trilogie, während die Prequels eher als monströse Haufen Dung in die Filmannalen eingegangen sind. Star Wars: Das Erwachen der Macht läutete schließlich eine neue/alte Ära ein, in der Regisseur JJ Abrams dem Wunsch nach „dem guten alten Star Wars“ gerecht wurde und mit einer ordentlichen Portion waffenfähiger Nostalgie im Wesentlichen ein Remix des Urfilms drehte. Nach dem kompetenten, wenn auch etwas belanglosen Rogue One wurde für das nächste Kapitel Looper-Regisseur Rian Johnson hinter das Steuer gesetzt.
Ich würde sagen, Star Wars: Die letzten Jedi ist ein schlechter guter Film. Das Grundgerüst, die Themen und Motive, die gesamte Intention hinter dem Film ist sehr gut und lobenswert. Es geht um das Verabschieden des Alten. Des Gewohnten. Es geht um das Scheitern. Luke Skywalker ist alt, verbittert und voller Schuldgefühle. Er wird verfolgt von einem Moment der Schwäche, in dem er um ein Haar etwas Unverzeihliches getan hätte. Gleichzeitig ist er voll von Verbitterung über den Jedi-Orden im Allgemeinen und die Tatsache, dass in dieser Galaxie irgendwie nie richtig Frieden herrscht. Er hat sich zurückgezogen und lebt mit komischen Tieren auf der Insel Skellig Michael in Irla…äh, auf einem fremden Planeten. Am Ende stellt er sich seiner Verantwortung. Und gibt Rey gleichzeitig den guten Rat, das Alte nicht zu vergessen, aber sich auch nicht sklavisch daran zu halten. Die Vergangenheit ist die Vergangenheit. Konzentriere dich auf die Zukunft.
Auch Rey und Kylo Ren lernen, mit dem Scheitern umzugehen. Ren lebt im Schatten seines großen Vorbildes Darth Vader und unter dem Spott von Snoke, während er verzweifelt versucht, sein bisheriges Versagen gegen Rey wettzumachen, indem er versucht, sie auf seine Seite zu ziehen. Ach ja, und er tötet Snoke. Mal eben. Einfach so. Zack und Lichtschwert. Klassiker. Ich weiß, viele haben gehasst, was Rian Johnson mit Snoke gemacht hat, diese so düster und groß angeteaserten Gestalt aus JJ Abrams Film. Aber mal ganz im Ernst, wäre eine große, düstere Backstory dieser bislang extrem belanglosen Figur wirklich der große Wurf geworden? Mir ist da so ein Move deutlich lieber; es ist dreist, kontrovers und tausendfach besser, als irgendwelche eindimensionale „Endgegner“, die viel zu lange leben. Wir hatten schon einmal einen Palpatine, macht was Neues!
Ein anderer schöner Schlag in das Gesicht von JJ Abrams großer Teaserkiste des letzten Films: Die Frage nach Reys Eltern. Diese Offenbarung hat mir ehrlich gesagt am besten gefallen. Anstatt irgendeine mystische Prophezeiung herzubasteln, redet Kylo Ren hier Tacheles: Reys Eltern waren einfach nur ein paar betrunkene Bauern. Perfekt. Das Fehlen eines großen geheimnisvollen Familienüberbaus gibt Reys Figur deutlich Tiefe und macht sie zu einem deutlich besseren Charakter als es ein „Es ist dein Schicksal, die dunkle Seite zu zerstören“ jemals gekonnt hätte.
Oh, und dann ist da noch Domhnall Gleeson als Hux. Der bleibt nach wie vor ein eindimensionaler britischer Ginger-Nazi, ist aber trotzdem hochgradig unterhaltend. Weil es Domhnall Gleeson ist. Ich bin Hux-Fan.
Is der Film nu gut oder schlecht, diggi???
All das sind sehr positive Schritte für Star Wars. Eine Serie kann nicht auf ewig einfach nur ein Remix alter Figuren, Strukturen und Motive sein. Das hat bei Star Wars: Das Erwachen der Macht und Rogue One noch funktioniert, aber gerade bei einem jährlichen Ballermodus muss sich ein Franchise wie Star Wars irgendwann die Frage stellen, wie es weiter gehen soll. Die alten Filme gibt es schon und es wird sie auch immer geben. Macht was Neues. Wagt etwas. Bei allem, was man Regisseur Rian Johnson vorwerfen könnte – auf Nummer sicher gehen gehört definitiv nicht dazu.
Trotzdem habe ich Star Wars: Die letzten Jedi einen „schlechten guten Film“ genannt. Denn so lobenswert die Ansätze, so chaotisch die Umsetzung. Charakterentscheidungen, die völlig aus dem Nichts kommen. Völlig sinnbefreite Handlungen. Szenen, die episch sein sollen, die aber insgesamt einfach nur albern sind (looking at you, Leia in Space!). Poes Entwicklung als Figur ist gut gemeint, aber insgesamt viel zu grob behandelt und alles andere als konsequent durchgezogen. Finn darf gemeinsam mit seiner neuen Freundin Rose auf einen „So, dann hat der bis zum Finale auch noch was zu tun“-Sidequest-Planeten reisen. Dort wird mit Benicio del Toros Figur zwar ein cooler, interessanter Aspekt des Star Wars-Universums angerissen (wer profitiert von dem andauernden Krieg in der Galaxie weit, weit weg), aber eben genau das: nur angerissen. Ansonsten gibt’s halt n paar Weltraum-Kamele, aber damit hat es sich. Auch Rose selbst ist theoretisch ein guter Charakter, aber ihre Aktionen im Finale geraten dann doch eher idiotisch.
Und wenn wir schon bei Vollidioten sind: General Holdo wird zwar wunderbar von der perfekten Laura Dern gespielt – aber auch wenn ihre Opferungsszene grandios (und fast schon esoterisch) inszeniert ist, macht die Tatsache, dass sie bis zuletzt niemandem von ihrem Plan erzählt so dermaßen keinen Sinn, dass ich kurz davor war, die Kinoleinwand anzuschreien. Der Grund, aus dem sie niemanden in ihren Plan einweiht … ist einfach, dass der Film einen Twist braucht. Mehr nicht.
Das alles sind keine Erbsenzählereien, das sind fundamentale Story-Probleme, die sich nicht mal eben weglächeln lassen. Es gab einige episch gemeinten Stellen, in denen im Kino verhalten gekichert wurde. Und je weniger wir über die Porgs oder Lukes Melkszene reden desto besser. Star Wars: Die letzten Jedi ist alles andere als perfekt. Er ist komplett anders. Manche lieben ihn dafür, manche hassen ihn. Und dann gibt es das Internet.
Seufz…
Ich habe so das Gefühl, als hätten sich Star Wars-Fans nach dem ja doch sehr positiv aufgenommenen Nostalgie-Fest bereits in ihrem eigenen Kopf ausgemalt, wie es weitergeht. Was aus Luke geworden ist und wie er in dem folgenden Film endlich sein Lichtschwert auspacken und die Galaxie aufräumen wird. Wer Snoke wirklich ist. Dann haben sie gesehen, dass sie etwas Anderes bekommen. Und jetzt sind sie wütend. Weil Rian Johnson ihre Kindheit zerstört hat. Oder so.
Die Dummheit und Intensität des Hasses ist Überreaktionen wie „Warum sind da plötzlich Frauen und Schwarze in meinem Star Wars, alles liberale Gutmenschen und SJWs hier, die mir mein Star Wars kaputt machen!“ gar nicht mal so unähnlich. Es kommt zu Petitionen, den neusten Film aus dem offiziellen Kanon zu streichen und eine neue, bessere Episode 8 zu drehen. Menschen registrieren sich bei Rotten Tomatoes, nur um das User Rating herunterzuziehen. Den Schauspielern und dem Regisseur wird gedroht. Alles ist sehr laut. Die Art und Weise wie in letzter Zeit der politische „Diskurs“ geführt wird, hat nun auch die Filmwelt erreicht. Es ist die Kehrseite des Nerdtums.
Denn plötzlich geht es nicht mehr nur darum, einfach nur einen Film nicht zu mögen. Es geht darum, dass man persönlich beleidigt wurde. Nuancen und Argumente existieren nicht mehr. Ab einem gewissen Moment hören Diskussionen auf, Spaß zu machen. Nennt mich altmodisch, aber bei Todesdrohungen, Petitionen und öffentlichen Attacken hört der Spaß auf. Auch wenn „ein Nerd sein“ etwas sehr Schönes und Unterstützenswertes sein kann, beinhaltet das Banner einige sehr toxische Nebenwirkungen, die den Großteil friedlicher Nerds komplett Unrecht tut. Fragt mal #gamergate. Nerds können sehr schnell sehr besitzergreifend werden, wenn es um das geht, was sie lieben. Und wenn das, was sie lieben, nicht ihren Vorstellungen und Erwartungen gerecht wird, dann wird es hässlich. Star Wars: Die dunkle Bedrohung wird bis heute gehasst und völlig zurecht, denn der Film war ein Desaster. Aber seht euch mal Interviews mit Kinderdarsteller Jake Lloyd oder dem Schauspieler von Jar Jar Binks an. Die haben sich bis heute nicht von der Hasswelle erholt, die ihnen persönlich entgegenschlug.
Etwas leidenschaftlich zu lieben oder zu hassen ist gut und menschlich. Aber hört auf, euch mit euren popkulturellen Vorlieben zu identifizieren und sie zu eurer gesamten Identität zu machen. Das ist nicht gesund und wird euch auch niemals glücklich machen. Wenn ein Film dazu in der Lage ist, „eure Kindheit zu zerstören“, dann hattet ihr keine Kindheit.
Ich rede hier zu einer sehr lauten Minderheit, die dem großen, vernünftigen Rest vollkommen Unrecht tut. Aber sie ist eben da. Und laut. Fans der Serie Rick und Morty sind jetzt schon berüchtigt und Star Wars-Fans sind nochmal ein Tick aggressiver. Entweder man ist einer Meinung oder man wird zu unversöhnlichen Todfeinden, wenn es nach ihnen geht. Da wird auch nicht mehr diskutiert, da wird nur noch geschrien. Ab diesem Zeitpunkt streiten wir nämlich nicht mehr freundschaftlich über Filme. Wir streiten nur noch. Dafür sind Filme nicht da, selbst die übelsten Machwerke nicht. Lasst uns weiter Filme lieben. Lasst uns weiter Filme hassen. Aber lasst uns bitte nicht zu weit gehen dabei. Denn schlussendlich sind es doch wirklich nur Filme. Filme über Weltraum-Zauberer, leuchtende Schwerter und fucking Ewoks. Chillt mal.
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