Die Legende des Ben Hall
Der Mann, der niemanden erschoss
Ulf, Fabian und Cathy trauen sich, einen Abstecher in die Welt eines legendären Outlaws in Down Under zu machen. Wie das war, rekapitulieren wir hier für interessierte Koalabären:
Ulf: „Ah, mal wieder ein Western, cool!“ dachte ich mir, als ich das Cover der Blu-Ray von Die Legende des Ben Hall so in der Hand hielt. „Basierend auf einer wahren Geschichte“ steht auch noch drauf, „meistgesuchte Männer“, „Gang“, „Postkutschen-Überfall“ sind prägnante Begriffe auf dem Backcover und dann steht da noch „Australien“. Oha, also doch kein Western, ein… äh… South-Eastern? Down-Understen? Aussie-Western? Finden wir es heraus!
Die Legende des Ben Hall erzählt, wie der Titel ja schon zart andeutet, das gar nicht so zarte Leben von Ben Hall (Jack Martin). Den kennt wahrscheinlich jeder Klippschüler auf dem australischen Kontinent und die Geschichte wurde schon 1911 als Stummfilm und in den Siebzigern als TV-Serie verfilmt. Dieses Mal kommt sie als 140 Minuten langes Epos daher. Grundsätzlich schaue ich mir solche quasi-Biopics ganz gern an, die Voraussetzungen, diesen Film zumindest durch die sandig-staubige Brille betrachtet ganz gut zu finden sind also da.
Ben Hall wurde am 9. Mai 1837 in New South Wales geboren und starb fast genau 28 Jahre später am 5. Mai 1865. Kein Kuchen für Ben also, dafür versucht der Film, möglichst historisch akkurat die letzten 9 Monate von Halls Leben abzubilden. Dies geht sogar so weit, dass die Dialoge teilweise nahezu unverändert aus damaligen Zeitungsartikeln übernommen wurden. Ben Halls Legende begründet sich in erster Linie dadurch, dass er als sogenannter „Bushranger“ diverse Überfälle begangen hat und dennoch als beliebt bei der einfachen Bevölkerung war. Durch ein paar harte Schläge des Schicksals steht Ben allerdings am Anfang des Films erst einmal ohne Familie da (seine Frau hat ihn verlassen, ist mit einem Alkoholiker zusammen und hat das gemeinsame Kind auch ganz gut von Ben abgeschirmt) und das Geld wird auch knapp. Also beschließt Hall, eine kleine Truppe zusammenzustellen und sich mit dem Überfall von Postkutschen und kleineren Reisegesellschaften zurück ins Leben zu kämpfen.
Die Legende des Ben Hall beginnt dabei recht actionreich mit einer Schießerei und der Flucht Halls vor der Polizei. Polizisten werden übrigens durchweg als „Traps“ bezeichnet. Das war damals ein gängiger australischer Slang für Cop und wird im Film relativ oft verwendet. Kurz danach trifft er seinen alten Kumpel John Gilbert (Jamie Coffa – der lustigerweise wie Malcolm McDowell in A Clockwork Orange aussieht) und kriegt noch den eher schüchternen John Dunn (William Lee – wo wir schon dabei sind: Ähnlichkeiten mit Hugh Grant sind durchaus vorhanden) zur Seite gestellt und ab geht das lustige Looten & Leveln.
Naja, fast, so einträglich sind die Überfälle nach einiger Zeit nicht mehr, da kaum noch Bargeld in der Post ist (warum wohl?) und sich die beiden Johns auch noch als Trapkiller hervortun müssen. Dazu sollte vielleicht nicht unerwähnt bleiben, dass Ben Hall nie (wirklich, nie, never ever) jemanden umgebracht hat und entsprechend angepisst ist. Zumal die ganze Bande alsbald vogelfrei erklärt wird und ein paar engagierte Leute eine Art Hanse zusammenstellen, um Ben und seine Spießgesellen endgültig kaltzustellen.
Die lange Legende des Ben Hall
Gut, ich will gar nicht mit Details nerven. Der Film ist viel zu lang. Das kann natürlich am Titel liegen, es ist eben Die Legende des Ben Hall und nicht Ben Hall: Ein Kurzgedicht, aber letztlich wirkt der Film für mich langgezogen, teilweise langweilig (als Ben Hall im Laufe der Handlung eine Taschenuhr zückte, hab ich mich dabei ertappt, ebenfalls öfter auf die Uhr zu schauen), hat zwar hübsche Naturaufnahmen, die aber auch nicht so bildgewaltig sind wie man es von anderen Western (jaja!) kennt. Filme wie Django Unchained, Slow West, Salvation oder sogar The Hateful 8 und natürlich das herausragende Biopic-Drama (und Cinematografie-Porno) Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford machen das mit den Naturaufnahmen deutlich besser. Und sind kurzweiliger trotz teilweise deutlich längerer Laufzeit. Dazu kommt, dass mir die Figuren überhaupt nicht nahe gegangen sind. Ben jammert seinem Sohn nach (unterstrichen durch dubiose Rückblenden, wie man sie aus Sleepy Hollow oder sogar Spaced kennt), John Gilbert nervt mit seiner unglaubwürdigen Lache und Art, John Dunn ist der unsichere Milchbubi und die Gegenspieler haben quasi gar kein Charisma.
Spannungskurve: Fehlanzeige
Cathy: Der Film verpufft, so muss man das sagen, leider wie ein billiges Parfum. Rau und ehrlich kommt die Lebenswelt daher, die Charaktere naturburschenhaft, ein bisschen verrückt und so unterschiedlich wie ein vorbildlichst konstruierten Sentai-Team. Sogar interessante teaminterne Kontroversen scheinen vorprogrammiert. Aber der Blick durchdringt dann irgendwie doch nicht die selbstgerechten Mel Gibson-haften Äuglein des Ben Hall (Noch eine Ähnlichkeit zu Schauspielern der nördlichen Hemisphäre. Mysteriös.). Spannungskurve: Fehlanzeige. Charakterentwicklung: abgesehen von scheinbar völlig unmotivierten, absurden Aktionen, nicht vorhanden. Sollen wir Ben Hall nun mögen, soll er uns interessieren, will der Film Mythen als falsch entlarven? Man weiß es nicht. Liebenswert kommt Ben jedenfalls beileibe nicht daher, wie ein charismatischer Antiheld oder gar ein verhasster Bösewicht aber auch nicht. Demnach bleibt meist dann doch nur der verstohlene, und manchmal, angesichts der Geschehnisse auf dem Bildschirm, der peinlich berührte Blick zur Uhr. Den Hoheitsanspruch historischer Akkuratheit nicht in Frage gestellt, aber: die kleine Schwester Storytelling hat auch Gefühle, und die wurden hier ganz eklatant verletzt. Möglicherweise war der zuvor produzierte Kurzfilm von Matthew Holmes über die letzten Momente des Ben Hall (The Last Days of Ben Hall) etwas geschickter darin, auf zeitlich stärker begrenztem Raum, beides zu verbinden. 140 Minuten jedenfalls, gefüllt mit hohlen Zeitungsartikeldialogen aus achtzehnhundertnochwas und einer irgendwie durch die Wallachei irrenden Hall-Gang – das ist nicht jedermanns Sache. Und Koalas sieht man keinen einzigen!
Räuber ohne Eigenschaften
Fabian: Dabei ist der Ansatz von Die Legende des Ben Hall eigentlich ein sehr guter: Mal einen Outlaw zu zeigen, der nicht leichtfertig Ordnungshüter und Geiseln niederschießt. Leider schafft es Regisseur Matthew Holmes nicht, mit der historisch korrekten Geschichte des harmlosen Räubers viel Spannung zu generieren. Sein Ben Hall ist ein ziemlicher Langweiler, trotz der rund 600 Verbrechen, die ihm angelastet wurden. Das führt zu unfreiwillig komischen Szenen, etwa wenn die Bande in einem längeren Feuergefecht einen Trap erschießt und alle Beteiligten ganz entsetzt sind, dass so etwas schlimmes bei einer Schießerei passieren konnte. Shocking! Die Erklärung dafür bieten vielleicht die australischen Waffengesetze, die in der britischen Strafkolonie eher restriktiv waren. Aber für Fans historisch nicht ganz korrekter Actionstreifen ist das Bushranger-Biopic Ned Kelly mit Heath Ledger in der Rolle des schießwütigen Räubers in seiner Blechrüstung wahrscheinlich die unterhaltsamere Alternative zum nicht so legendären Ben Hall.
Die Bildqualität der Blu-Ray ist ganz gut, das Bild wirkt aber teilweise zu crisp und clean, irgendwie hätte man da die Schärfe etwas herunter regeln und die Farben etwas nachjustieren können. Der Sound ist schön wuchtig und auch räumlich. Man bekommt zwar O-Ton geliefert, aber leider keinerlei Untertitel. Die Legende des Ben Hall ist seit dem 28. April 2017 erhältlich.
Testweise geben wir diesmal sogar eine Wertung ab:
Ulf wirft 3 von 5 Fischen in den Pott ><((((*> ><((((*> ><((((*>
Cathy wirft 2 von 5 Fischen in den Pott ><((((*> ><((((*>
Fabian wirft 2 von 5 Fischen in den Pott ><((((*> ><((((*>
Kommentare
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