Fate Game – Ein Schuss genügt
Man kommt schlecht rein in diesen Film Fate Game. Doch schauen wir zunächst einmal, wie man wieder herausgeleitet wird. „Todo se transforma“ heißt der Song, der den Abspann begleitet. „Tu boca roja en la mía“, singt Jorge Drexler beschwingt, „dein roter Mund an meinem, das Glas, in meiner Hand geschwenkt, und während sich der Wein daraus ergießt, weiß ich, dass aus der fernen Ecke einer fremden Galaxie …“ Nun ja, so geht das weiter mit Wein und Liebe und Sternenlicht und all dem Schmus. Dagegen ist ja weiter nichts einzuwenden, auch nicht gegen die Leichtigkeit der Rhythmen, nur passt das alles so gar nicht, nachdem der Film zuvor ziemlich heftige Schicksale gegen die Magengrube gefeuert hat.
Der Spieler und der Schütze
Das ahnt man zu Beginn auch nicht, denn wie gesagt – man kommt schwer rein. Da sind der geschniegelte Polizeischarfschütze Pablo (Álex García) und der verlotterte Gelegenheits-Glücksspieler Sergio (Luis Tosar). Beim einen hängt der Haussegen extrem schief, unter anderem wegen des Glücksspiels, beim anderen lastet die schwere Krankheit des Sohnes auf dem Familienglück. Über gut eine Viertelstunde pendelt die Handlung zäh zwischen Alltagssituationen in beiden Haushalten hin und her, ohne Hinweis zu geben, was beide verbindet. Dann erhält Sergio von einem Kumpel den berüchtigten todsicheren Tipp, um bei einer Wette Kasse zu machen. Na also, denkt man, jetzt fließen endlich die Piepen, die dem Versager aus der Pampe helfen. Doch weil’s ein Film ist, der noch 70 Minuten dauern wird, weiß man, dass jeden Augenblick irgendwas in die Hose gehen wird.
Die erwartete Wendung wird an Haaren und Zehennägeln zugleich herbeigezogen. Just bei der Auszahlung des Gewinns stürmen Räuber den Lottoladen, es kommt zur Schießerei mit Todesfolge. Scharfschütze Pablo soll die Sache richten, vergeigt aber seine Chance, weil er in Gedanken bei seinem Sohn ist, der gerade die Intensivstation durchleidet. Ein bisschen viel der unglücklichen Verkettungen. Spielt das Leben tatsächlich so? In Ordnung, man hat angeblich schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen, insofern kann natürlich jede denkbare Schraube ihre Mutter, jedes Waisenkind einen milliardenschweren Pflegevater, jede Pissnelke einen Rosenkavalier finden. Trotzdem bleibt das Unbehagen, dass der spanische Regisseur Juan Galiñanes dicke Paste aufträgt, um – wie der Waschzettel verkündet – den „Einfluss von Schicksal und Zufall auf unser Leben“ an die große Glocke zu hängen.
Müde, Luis?
Der 1980 in Galicien geborene Galiñanes ist getrimmt auf Action und hat auch in Auge um Auge (2019) genau damit gespielt, dass sich Ereignisse überschneiden, die in solcher Konstellation gerade einmal beim Urknall passieren. Spannung komm‘ raus, du bist umzingelt! Seltsamerweise läuft unterschwellig eine Art Kippschalter mit und reguliert immer wieder vom Schlechten ins gerade noch Gute, was darauf hinausläuft, dass der wirklich dicke Hund ausbleibt. Bremsend bis einschläfernd wirkt die Attitüde des Spielers Sergio. Sein Darsteller Tosar ist eine Größe in Spanien, er hat schon den aus einer legendären Serie geborenen Thriller Miami Vice (2006) überlebt, stürzte sich in Sleep Tight (2011) in Psycho-Abgründe, probierte Komödiantisches in 18 Comidas (2010) – doch immer wieder gerieten ihm die Rollen wie unter dem Einfluss von Baldrian forte.
Die Stelle, an der es dann doch kitzelt, gestaltet sich so: Pablos wie auch Sergios Sohn liegen durch unglückliche Verstrickungen beide in den letzten Zügen, die Organspende des einen könnte wenigstens den anderen retten. Sergio knüpft seine Zusage zum Abschalten der Apparate an eine unmenschliche Bedingung, die er Pablo aufzwingt. Man kann sich an diesem Punkt sehr viel ausmalen. Möglich wäre sogar Skurriles wie in Salman Rushdies Satanischen Versen, wo nach dem Absturz von Flug AI-420 Geist und Fleisch der beiden Überlebenden Gibril und Saladin durcheinander purzeln. Verlangen wir aber nicht zu viel, nachdem schon Rushdie für solches Szenario der Blasphemie bezichtigt wurde. Aber ein wenig tiefschürfender als mit einem tränentriefenden Happy End und diesem „Todo se transforma“ hätte es schon ausgehen können. Was der Titel des Songs überhaupt bedeutet? Na ja, irgendwas wie „nix hält ewig“. Gegenvorschlag: Lasst am Ende von „Apocalypse now“ doch einfach Hannes Wader singen: „So vergeht Jahr um Jahr, und es ist mir längst klar, dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.“
Fischpott hat ein Ansichtsexemplar der DVD erhalten.