Foxcatcher
Es gibt Filme, die werden für viele Oscars nominiert und gewinnen keinen. Üblicherweise sind das jedoch eher Werke, die für die Kategorien „bester Sound“, „beste Kostüme“ und „beste Tischdekoration“ nominiert werden. Foxcatcher hingegen wurde für den besten Hauptdarsteller (Steve Carell), den besten Nebendarsteller (Mark Ruffalo), den besten Regisseur (Bennett Miller) und das Originaldrehbuch (Eric Max Frye and Dan Futterman) vorgesehen. Hat trotzdem keinen gewonnen. Schade eigentlich.
Man darf vorwegnehmen: Es handelt sich um eine „wahre Geschichte“ und man profitiert im Falle von Foxcatcher sehr davon, wenn man diese wahre Geschichte, vor allem ihr Ende, nicht kennt. Was nicht heißen soll, dass man ihn nicht auch ein zweites oder drittes Mal sehen könnte, denn Foxcatcher ist handwerklich hervorragend umgesetzt.
1984 gewinnen Mark Schultz (Channing Tatum) und sein Bruder Dave (Mark Ruffalo) Olympisches Gold im Ringen. Doch bringen die Medaillen weder Reichtum noch Gelassenheit – zu Beginn hält Mark eine sterbenslangweilige Rede vor Schulkindern über seine Siege, den Wert von Tugend und den American Dream. Er kassiert dafür ein Honorar von 20 Dollar… „und null Cent“, wie ausdrücklich betont wird; das ist auch im Amerika des Jahres 1984 nicht gerade viel Geld. Da kommt es gerade recht, dass der Milliardenerbe und Ringkampffanatiker John du Pont (Steve Carell) Mark anbietet, auf dessen privater und höchst professioneller Trainingsanlage zu üben, dem „Team Foxcatcher“ beizutreten und sogar noch dafür bezahlt zu werden. Begeistert erzählt Mark seinem Bruder Dave von diesem Angebot und bittet ihn, ebenfalls auf der Foxcatcher-Farm zu trainieren. Dieser reagiert jedoch skeptisch – im Gegensatz zu Mark hat er seine eigene Familie, ist emotional gefestigt und zweifelt überdies du Ponts Motive an: „Was hat er davon?“
An dieser Stelle muss ein Wort über die Darsteller verloren werden. Zunächst: Die maskenbildnerische Herrichtung der Schauspieler ist sensationell. Wenn man Bilder von „den echten“ Mark Schultz und John du Pont sieht, denkt man sich: „Sehr gut getroffen.“ Sieht man den echten Dave Schultz, sieht man: Mark Ruffalo. Die Schauspieler, insbesondere Steve Carell, sind derart entstellt, dass die Produktion Gefahr läuft, ihre Marke, ihren Wiedererkennungswert zu verlieren. Das sieht man leider nur selten, zuletzt vielleicht in Looper, in dem Joseph Gordon-Levitt verzerrt wurde. Als man bereits 20 Minuten lang dem Film beiwohnt und sich noch auf Steve Carell freut, merkt man langsam, dass der schon seit zehn Minuten im Bild ist. Wer Carell bisher nur als Komiker kannte, wird hier getäuscht: Dieser Mann spielt den Clown ebenso überzeugend wie den tragischen Helden. Das ist ein seltenes Talent. Man würde sich nicht wundern, wenn bald ein neues Actionfranchise mit Steve Carell in der Hauptrolle eröffnet. Während der (mal wieder) überzeugende Mark Ruffalo die Identifikationsfigur für den Zuschauer gibt – charismatisch, verantwortungsbewusst, unkäuflich — entzieht sich Channing Tatum jeglichem Zugriff: Die Unterlippe nach vorne gezogen, den Blick nach unten gerichtet, ist er ein ringender Geist, der ohne Halt durch den Film irrt.
Man merkt schnell, dass du Pont ein armseliges Würstchen ist, das sich mit seinem Ringerstall nichts mehr als die Anerkennung seiner Mutter kaufen möchte, die in seiner Kindheit ein anderes Kind dafür bezahlte, sein einziger Freund zu sein. Er veranstaltet Ü50-Schaukämpfe, bei denen man ihn gewinnen lässt. Er führt seiner Mama vor, wie er seine Mannschaft trainiert, und blamiert sich dabei mit selbst für den Laien deutlich zu erkennenden Anfängerübungen. Er lässt einen Werbefilm für das Team Foxcatcher drehen, in dem er seine Kämpfer sagen lässt: „Du Pont ist ein Mentor für mich.“
Zweifelsohne ist dies nicht die Umgebung, in der Helden gedeihen. Die sportliche Karriere von Mark Schultz wendet sich trotz anfänglicher Erfolge im Team Foxcatcher zum Negativen – du Pont verführt ihn sogar zum Kokain – woraufhin sein Bruder Dave mit seiner Familie nachreist und dem Team beitritt. Für den Familienmenschen Dave ist dies eine endgültige Entscheidung, ein weiterer Umzug kommt nicht in Frage. Dave kann jedoch den weiteren Abstieg von Marks Karriere nicht verhindern. Und weil Mark Schultz und John du Pont sich verworfen haben, bleibt Dave, und Mark geht. Eine ironische Situation, denn Dave hatte nun wirklich keine Lust auf diesen Zirkus. Mehr darf jedoch nicht verraten werden.
Über den Film hinweg werden hervorragende und mitreißende Ringkampf-Szenen geboten, die insbesondere Fans von „Zur-Hälfte-Drama-zur-Hälfte-Sport-Filmen“ wie The Fighter oder Warrior große Freude bereiten dürften. Auch für Ahnungslose des Ringkämpfens – oder gerade für diese? – wird eine ansprechende Show geboten, auch wenn Foxcatcher doch in erster Linie Drama bleibt. Gegen Ende wirkt die Handlung leider etwas zerfahren. Man weiß nicht mehr so recht, welche Zeit gerade spielt, und man ist sich nicht ganz sicher, wer noch zu wem Kontakt hat und in welchem Verhältnis die Personen noch zueinander stehen. Man kann sagen, dass das letzte Drittel etwas übereilig herbeigeführt wird. Dennoch kann Fischpott guten Gewissens und ohne Einschränkung einen Besuch von Foxcatcher empfehlen.