Girl
Einfühlsames Drama um ein Trans-Mädchen, welches Ballett-Tänzerin werden möchte, während sie gerade ihre Hormonbehandlung anfängt.
Lara (Victor Polster) ist 15 und zieht mit ihrem Vater Mathias (Arieh Worthalter) und ihrem kleinen Bruder Milo (Oliver Bodart) extra um, damit sie auf eine der besten Tanzschulen der Niederlande gehen kann. Dort muss sie allerdings acht Probewochen überstehen, bis sie weiß, ob sie bleiben darf. Sie ist zwar eine talentierte Tänzerin, fängt jedoch zu spät mit dem Spitzentanz an. Zusätzlich steht sie kurz vor ihrer Hormonbehandlung, es ist also noch nicht klar, wie ihr Körper mit Allem zurecht kommt.
„Alles, was du dann sein wirst, das bist du jetzt schon.“
Ihre Familie, allen voran ihr Vater, der sie bei jedem Schritt begleitet, unterstützt sie absolut, ebenso ihre Ärztin und ihr Psychologe. Allein ihr 6-jähriger Bruder, mit dem sie eine sehr innige Beziehung hat, muss sich noch an die neue Situation gewöhnen, besonders aber durch die eigenen Schwierigkeiten, in der neuen Schule Freundschaften zu schließen.
Es scheint also einer Geschlechtsanpassung, die sich Lara sehnlichst wünscht, nichts im Wege zu stehen. Doch die Pubertät ist an sich schon irritierend genug, dazu muss sie härter trainieren, um den Rückstand aufzuholen und ihre Mitschüler*innen wissen selber nicht, ob sie sie unterstützen oder vorführen wollen.
„Ich hab Angst, dass es einfach nicht funktioniert, dass sich gar nichts verändert.“
Besonders macht Lara ihr Körper zu schaffen, der für sie „falsch“ ist. Und obwohl ihr Psychologe ihr versucht zu erklären, dass sie jetzt schon eine Frau mit dem passenden Körper ist und nicht bis zur Operation warten muss, um ihr Leben zu genießen, merkt sie jeden Tag, dass es für sie nicht stimmt. Nackt kann sie sich kaum ertragen und klebt, obwohl sie ihrem Vater verspricht, es nicht mehr zu tun, ihren Penis weg. Als sie endlich mit der Hormonbehandlung beginnt, sieht sie keine körperliche Veränderung und fängt an ihren Körper zu ignorieren, zwingt ihn förmlich dazu ihren Vorstellungen zu entsprechen. Zusätzlich verschließt sie sich mehr und mehr. Nach außen hin tut sie so, als sei alles gut, ihr Körper versagt ihr aber zunehmend die Mitarbeit.
„Warum machst du es dir selbst so schwer?“
Regisseur Lukas Dhont hat mit seinem Debüt Girl einen beeindruckenden und unaufgeregten Film geschaffen, der in ruhigen Bildern davon erzählt, wie schwer es ist, sich selbst zu finden. Die wunderbare Kameraarbeit von Frank van den Eeden lässt die Zuschauenden zwar nah ran, teilweise schmerzlich nah, drängt sich seiner Protagonistin jedoch nie auf. Es sind behutsame, fast schon zärtliche Einstellungen, die die Unsicherheit und Verletzlichkeit Laras einfangen, ohne sie bloß zu stellen. Sowieso ist Girl kein skandalisierender Film, sondern versucht zu zeigen, wie weit die Akzeptanz von Trans-Personen bereits gekommen ist, verschweigt wohlgemerkt auch nicht, welche Mikro-Agressionen und welche Ignoranz selbst in Europa weiterhin vorherrschen.
„Ich habe aber keine Lust, ein Beispiel zu sein, ich will einfach nur ein Mädchen sein.
“
Kritisch an Girl sollte angemerkt werden, dass nicht jede Trans-Person im „falschen“ Körper gefangen ist. Dies wird zwar im Film kurz behandelt, aber darüber hinaus könnte es leicht in Vergessenheit geraten. Zumal der Film damit beworben wird. Die Unterscheidung zwischen transgender und transsexuell wird, wie so oft, leider vollkommen außen vorgelassen. Zusätzlich ist auch das Ende nicht verkehrt, aber mindestens diskussionswürdig.
Wenn man dies im Hinterkopf behält, ist Girl ein wunderschöner Film, der ein so wichtiges Thema sehr sensibel darstellt und in Cannes, sowie bei den Golden Globes zu recht ausgezeichnet wurde.