Renfield
Robert Montague Renfield hat ein Problem. Wie die anderen Mitglieder seiner Selbsthilfegruppe ist er in einer toxischen Beziehung gefangen. Nur ist das keine fiese Karen oder ein mieser Dick sondern Dracula persönlich.
„Renfield, du Arschloch!“
Dracula – Tot aber glücklich
Renfield, der hündische, Krabbeltiere verzehrende, manische Diener Draculas ist die Hauptfigur in Chris McKays Horrorkomödie. Denn in Abweichung von Stokers Roman hat der Vampirgraf (Nicholas Cage) überlebt und Renfield (Nicholas Hoult) unsterblich gemacht. Allerdings nicht als Vampir sondern als Vertrauten, also als von ihm abhängige Kreatur, die tagsüber Erledigungen macht.1 Das schließt menschliche Körper ein. Aber nicht fiese Typen, das macht Dracula klar, sondern Unschuldige. Nonnen oder Cheerleader wären gut.
Das ist ein Problem für Renfield, der erstaunlicherweise nach Jahrzehnten in Draculas Diensten über ein Gewissen verfügt. Aber – das lernt das Publikum in den Selbsthilfegesprächen – er kann sich einfach nicht gegenüber seinem Meister behaupten. Also versucht der Blutbesorger, den nach der letzten Vampirjägerbegegnung geschwächten Dracula zu verlassen. Das nötige Selbstvertrauen zieht er aus der Selbsthilfegruppe und aus der Begegnung mit Rebecca (Awkwafina). Die ist Polizistin und die einzige in New Orleans, die der Lobo-Familie die Stirn bietet.
Clankriminalität in New Orleans
Denn Renfields zweiter Handlungsstrang zieht sich um diese mörderische Mafiafamilie. Die ist nicht die reichste, nicht die erfolgreichste, aber die brutalste – auch wenn Thronerbe Teddy (Ben Schwartz) sich nicht so recht gegen seine Mutter (Shohreh Aghdashloo) durchsetzen kann. Um so durchsetzungsstärker ist Renfield, wenn die Lobo-Killer hinter Rebecca her sind. Denn verschluckt er ein Insekt oder eine Spinne, erlangt er Superkräfte. Und auch wenn Rebecca selbst von der toughen Sorte ist, kann sie die Unterstützung des aufgepumpten Renfields gut gebrauchen. Die sich die für empfindsame Kinogänger*innen als ziemlich drastisch herausstellt. Renfield macht keine Gefangene, so verstümmelt er mit leicht erschrockenem Gesicht Übeltäter und killt ihre Kameraden mit abgerissenen Armen.
Dass gegen Ende des Films Rebecca und Renfield gegen Dracula und die Lobos stehen verwundert niemanden, der schon mal einen Film gesehen hat. Überhaupt, bufft McKay hier zahlreiche Klischees der Genres Cop- und Vampirfilm auf. Einerseits Rebeccas Heldenvater, das korrupte Dezernat, die brutalen Gangster auf der einen Seite, andererseits Sonnenlicht, Jumpscares, Fledermausverwandlungen und benötigte Einladungen. Zwischendurch bricht der Film Klischees und erfindet neue Tropes und erzeugt so Spannung. Vor allem, weil nicht jedes winzige Stück Vampirlore erklärt wird.
Blasser Vertrauter
Das Dreieck Bandenkriminalität – Selbsthilfegruppe – Dracula wirkt manchmal etwas viel, wird in den 93 Filmminuten aber im Grunde ordentlich auserzählt. Nicolas Cage ist natürlich eine Topbesetzung für Dracula. Ein joviales Monster, das in Sekundenschnelle von gönnerhafter Arroganz zu rasender Blutdurst changiert – brillant. Um so blasser ist leider Nicholas Hoult, der die Rolle des eigentlich ganz netten Vampirknechts eben nur passabel ausfüllt. Vor allem, wenn man bedenkt das vor ihm schon Tom Waits, Peter MacNicol und Klaus Kinski Renfield gespielt haben. Das Manische, Abgründige fehlt in Hoults Darstellung, der peinlich-betreten guckt, wenn er schon wieder versehentlich einen Schergen enthauptet hat. Als Zombie in Warm Bodies oder Intrigant in The Favourite war er da schon überzeugender.
Und überhaupt, was hätte man aus der Idee „Renfield ist auch nur ein ewiger Praktikant für seinen Boss Dracula“ machen können. Quiet Quitting, Ausbeutung der Gen Z, all das deutet der Film nur an. Übrig bleibt eine solide Vampirkomödie für alle, die Splatter abkönnen und schon immer Nicolas Cage als Dracula sehen wollten. Und das ist schon etwas.
Nachtrag: Mysteriöse Metalkutte
Eine Kleinigkeit hat mich stark irritiert. Im Film kommen auch einige Ska-Fans vor, über deren Musikgeschmack so einiges an Häme ausgeschüttet wird. Warum auch nicht. Nur trägt einer der Ska-Fans eine Metalkutte und das fand ich sehr seltsam. Ska und Metal haben nun wirklich wenig gemeinsam außer vielleicht der empfohlenen Lautstärke.
Disclaimer: Wir haben von Universal eine Einladung zur Pressevorführung der synchronisierten Fassung erhalten und angenommen.
- Bekannt zum Beispiel aus What We Do In The Shadows oder Vampire: Die Maskerade, wo sie Ghule heißen. ↩