Saboteure im Eis – Operation Schweres Wasser (DVD-Set)
»Solange wir dafür sorgen, dass der Krieg der Wissenschaft dient, besteht keine Gefahr«, sagt Werner Heisenberg (Christoph Bach) zu Niels Bohr (Søren Pilmark) und rechtfertigt damit seine Arbeit im deutschen Uranverein. Seit 1939 erwartet das Heereswaffenamt von dem Physiker und Nobelpreisträger nichts Geringeres als den Bau der Atombombe. Heisenberg scheint dies in Kauf zu nehmen, strebt selbst aber erst einmal den Bau eines Kernreaktors an. Für die kontrollierte Kernspaltung benötigt er allerdings Schweres Wasser, und das gibt es in nennenswerten Mengen nur in Norwegen. Das Kriegsdrama Saboteure im Eis – Operation Schweres Wasser erzählt von der Arbeit Heisenbergs. Vor allem erzählt es aber von den landläufig wenig bekannten Operationen der Alliierten, die als Schwere Wasser Sabotage in die Geschichtsbücher eingegangen sind.
Heisenberg, Bohr und die Skizze
Wir schreiben den September 1941. Heisenberg reist nach Kopenhagen, um seinen väterlichen Freund und Mentor Bohr zu treffen und mit ihm … tja, was eigentlich zu besprechen? Über die Motive und den Verlauf dieses historisch bedeutsamen Gesprächs herrscht bis heute Unklarheit. Wollte Heisenberg die Alliierten vor der Entwicklung einer deutschen Atomwaffe warnen? Oder wollte er mit seinen eigenen Fortschritten bei der Kernspaltung angeben? Dem Gespräch, von dem die beiden Teilnehmer hinterher höchst unterschiedlich berichteten, wurde einst gar ein ganzes Theaterstück gewidmet.

Werner Heisenberg (Christoph Bach) und Niels Bohr (Søren Pilmark) bei der Nobelpreisvergabe – Pandastorm
In Saboteure im Eis bietet Heisenberg dem Dänen die Mitarbeit an, doch der lehnt entsetzt ab. Als Sohn einer jüdischen Mutter wird Bohr ohnehin nicht mehr lange in Europa bleiben. Heisenberg jedoch scheint das alles nicht wahrhaben zu wollen. Vielmehr schwärmt er von seinem Projekt, das ihm endlich die nötigen Ressourcen und auch die begehrte Anerkennung bietet. Er nennt es gar einen »Traum«. Andererseits ringt er aber auch mit seiner Verantwortung. So zeigt er Bohr trotz seiner Geheimhaltungspflicht eine Skizze, die der als Beleg für die Arbeit an der Atombombe versteht, auch wenn sie vielleicht nur den angestrebten Kernreaktor darstellen soll.
Diese Skizze gelangt schließlich in die Hände der Alliierten Streitkräfte. Die sind bereits durch den norwegischen Chemiker und Offizier Leif Tronstad (Espen Klouman Høiner) vorgewarnt. In der Folge wird Tronstad nun auch maßgeblich an der Planung aller Operationen mitarbeiten. So erzählt es zumindest die norwegisch-dänisch-britische Produktion.
Die Bedeutung des Schweren Wassers
Als Tronstad von dem übersteigerten Interesse der Deutschen an dem Schweren Wasser erfährt, erkennt er schnell die Zusammenhänge. Schweres Wasser, auch Deuterium Oxid (D2O) genannt, ist weniger reaktionsfähig als normales Wasser und hat eine niedrigere Lösefähigkeit. Im Zusammenhang mit der Kernspaltung wird es als Kühlmittel und zum Zweck des Abbremsens der energiereichen Neutronen genutzt. In der Natur kommt Schweres Wasser allerdings extrem selten vor. Produziert wird es während des Zweiten Weltkrieges einzig im Wasserkraftwerk Vemork des norwegischen Konzerns Norsk Hydro, und das ursprünglich auch nur als Abfallprodukt. Schnell erkennt die Konzernführung, dass hier ein fettes Geschäft zu machen ist, und konzentriert sich nun ganz auf die Herstellung dieses begehrten Produktes. Tronstad und die Alliierten hingegen setzen fortan alles daran, die Grundlage für dieses Geschäft zu zerstören.
Der Ablauf dieser Schweres Wasser Sabotage macht einen Großteil der Serie aus und hält sich dabei weitgehend an die historisch belegten Ereignisse, die sich sowohl in der deutschen Wikipedia als auch ausführlicher in der englischen Wikipedia nachlesen lassen. Hier seien sie kurz skizziert (aber Achtung: Spoiler!):
Von Moorhühnern, Erstsemestern und der Sprengung einer Fähre
Die Zerstörung des Wasserkraftwerkes, so weiß Tronstad, ist ob der massiven Bauweise nicht möglich. Ziel des Angriffes kann also nur die Produktionsanlage im Keller sein. Die Vorbereitungen sollen im Oktober 1942 vier ortskundige Norweger als Operation Grouse (Moorhühner) bewerkstelligen. Doch die landen mit ihren Fallschirmen viel zu weit westlich und der Trupp Soldaten, der unter dem Namen Operation Freshmen (Erstsemester) zu ihnen stoßen soll, kommt wegen schlechten Wetters erst gar nicht an. Die Hälfte der Soldaten stirbt beim Absturz, die Überlebenden werden hingerichtet. Für die vier Moorhühner, die auf keinen längeren Aufenthalt vorbereitet sind, bedeutet dies den drohenden Hungertod.

Operation Grouse im norwegischen Winter – Pandastorm
Vier Monate müssen sie unter widrigsten Bedingungen ausharren, bis im Februar 1943 sechs weitere Norweger als Operation Gunnerside zu ihnen stoßen. Gemeinsam gelingt die Sprengung der Produktionsanlage und der vorhandenen Schwerwasser-Vorräte. Doch der Erfolg bleibt überschaubar; schließlich hält die Nazis und die Werksbetreiber nichts davon ab, die Anlage einfach wieder aufzubauen. Also planen die Alliierten ihre nächste Aktion: Im November 1943 sollen 160 US-Bomber das gesamte Gebäude in Schutt und Asche legen. Doch wie vorhergesagt misslingt die Operation, die wiederaufgebaute Produktionsanlage bleibt intakt. Hingegen kommen zwanzig Zivilisten aus dem nahegelegenen Ort ums Leben.
Als den Alliierten bekannt wird, dass die Nazis im Februar 1944 die Anlage nach Deutschland verlegen wollen, planen sie ihren nächsten Angriff. Ziel ist die Eisenbahnfähre Hydro über den See Tinnsjå. Vor dem Auslaufen installierte Sprengsätze versenken die Fähre, die Teile der Anlage und einige Fässer Schwerwasser an Bord hat, an einer der tiefsten Stellen des Sees. Dabei sterben weitere 18 Menschen, unter ihnen vor allem Zivilisten.
Saboteure im Eis – ein Drama voller Pleiten, Pech und Pannen
Inwieweit all diese Aktionen tatsächlich Einfluss auf den Wettlauf um den Bau der Atombombe hatten, ist historisch betrachtet eher fraglich. Gehört davon haben hierzulande wahrscheinlich nur sehr wenige. Bemerkenswert ist diese Geschichte voller Pleiten, Pech und Pannen aber auf alle Fälle. Saboteure im Eis erzählt die Ereignisse angenehm unaufgeregt und in beeindruckenden Bildern. Dabei verzichtet das Kriegsdrama dankenswerterweise darauf, seine Helden übermäßig abzufeiern. Vielmehr sprechen wir hier von sehr einfachen Männern, die das zur Schau stellen, was sie wohl ihr ganzes Leben lang geübt haben: nämlich das Maximum aus den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten herauszuholen. Und das ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem Optimum.
Das wird schon bei ihrer Grundausbildung deutlich, wenn sich einer von ihnen beim Reinigen der Waffe in den Fuß schießt. Später im Einsatz wird es nicht besser: Auf simplen Holzskiern geht es auf Rentierjagd. Wenn man dann nicht trifft, muss Moos, das Futter der Rentierte, als Ausbeute reichen. Und doch sind sie diejenigen, die die Welt vor der deutschen Atombombe retten sollen. Gerade diese Diskrepanz macht den Reiz der Geschichte aus und lässt die Darstellung sehr authentisch wirken.
Die Heisenbergsche Unschärfe
Ganz im Sinne seiner bekannten Unschärferelation bleibt die Darstellung Heisenbergs allerdings ein bisschen … unscharf. Nun mag seine Rolle im Uranverein tatsächlich ambivalent gewesen sein. Anders als viele seiner Kollegen ist Heisenberg in Deutschland geblieben, obwohl er wegen seiner Theorien angegriffen wurde. Nicht freiwillig kam er zu dem Atomprogramm. Aber dort erhält er wie nie zuvor die Möglichkeit zu forschen. Als seine Frau ihn fragt, wie er denn damit leben könne, eine Bombe zu planen, die ganz London zerstören und damit auch seinen Freund Schrödinger töten soll, antwortet er: »Durch dieses Fegefeuer müssen wir jetzt durch. Das Wichtigste ist, dass ich alles durchsetzen kann.«
Andererseits gibt es Szenen wie das eingangs erwähnte Gespräch mit Bohr, die deuten an, es könnte ihm immer ausschließlich um die Forschung und die Erkenntnis an sich, nie aber um die Entwicklung einer Waffe gegangen sein. Möglicherweise hat er sogar sichergestellt, dass es nie zu einem brauchbaren Ergebnis kommen konnte. Die Darstellung seiner Person in Saboteure im Eis hat jedenfalls ein bisschen was von seiner Theorie, die besagt, dass zwei komplementäre Eigenschaften eines Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar sind.
Mein Fazit
Für Menschen, die wie ich am liebsten informell lernen, werden solche TV-Produktionen geschaffen. Noch nie zuvor hatte ich von diesem Stück Kriegsgeschichte gehört. Mit Heisenberg hatte ich bislang hauptsächlich den nach ihm benannten Kompensator verbunden, der das Beamen erst möglich macht. Auch Deuterium war für mich bis dato ein Begriff, den ich nur aus dem Star Trek Universum kannte. Saboteure im Eis hat mich nun 270 Minuten lang staunen lassen, ich fühlte mich unterhalten und es hat meine Neugier auf mehr Informationen geweckt. Viel mehr kann ich von einer Fernsehserie kaum erwarten.
Fischpott Disclaimer: Wir haben das DVD-Set als Rezensionsexemplar von Voll:Kontakt erhalten.