Sie nannten ihn Jeeg Robot
Erinnert sich noch jemand an Hancock? Nein, nicht der historische Politiker aus dem 18. Jahrhundert, der die amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet hat, ich meine den Film von 2008. Den mit Will Smith als abgefuckten, saufenden Superhelden.
Auch wenn das Endprodukt gar nicht mal so gut war (lahmer Twist und viel zu plötzlicher Tonwechsel nach einem Drittel des Films), so war die Grundidee doch eigentlich ganz cool: Was, wenn anstelle eines charismatischen Saubermannes à la Peter Parker oder Steve Rogers ein antisozialer lahmer Schluffi mit Superkräften gesegnet werden würde?
Neun Jahre und eine metrische Tonne generischer Marvel/DC-Verfilmungen später ist ein neuer Versuch eine solche Geschichte zu erzählen also mehr als überfällig. Antihelden sind immerhin gerade im TV angesagt wie nie zuvor. Hier kommt der italienische Filmemacher Gabriele Mainetti ins Spiel. Sein spektakulär betitelter Sie nannten ihn Jeeg Robot eroberte die italienischen Kinos im Sturm und wurde auch auf Festivals (darunter das Fantasy FilmFest) überaus wohlwollend aufgenommen. Und wie könnte er auch nicht? Immerhin heißt dieser Film Sie nannten ihn Jeeg Robot. Lasst euch diesen Titel mal auf der Zunge zergehen.
Mit Nuklear-Schleim zum Animehelden
Die „Origin Story“ von Enzo Ceccotti (Claudio Santamaria) könnte simpler nicht sein: Auf der Flucht vor der Polizei versteckt sich der Kleinkriminelle im Wasser und rutscht auf radioaktiven Fässern aus. Es schleimt, er hustet und am nächsten Morgen wacht er mit Superkräften auf. Hussa! Anstatt sich dem Kampf gegen das Verbrechen zu verschreiben, nutzt Enzo seine brandneuen Fähigkeiten zunächst nur, um Geldautomaten aus der Wand zu reißen und sich von dem erbeuteten Geld Joghurt und Pornos zu kaufen. Sein Leben wird jedoch deutlich komplizierter, als die psychisch extrem angeknackste Alessia (Ilenia Pastorelli) in sein Leben tritt. Die Gangster-Tochter sieht in Enzo die Titelfigur einer Anime-Serie (der Jeeg Robot) und versucht ihn dazu zu bewegen, sich entsprechend zu verhalten. Als dann noch der psychopatische Gangsterboss Fabio (Luca Marinelli) auf den Plan tritt, muss Enzo eine Entscheidung treffen …
Klingt nach einem durchgeknallten, spaßigen Actionspaß, oder? Ist es aber gar nicht mal so wirklich. Trotz des wundervollen Titels nimmt sich Sie nannten ihn Jeeg Robot nämlich überraschend ernst. Schon der Soundtrack deutet an, wohin die Reise geht: Schwere Piano-Töne, die ein wenig an The Social Network erinnern und der Story einen Riesenschuss Melancholie verleihen. Ja, Enzo hat Superkräfte, aber diese geraten nie allzu cartoonig, sondern werden relativ geerdet dargestellt. Von überdrehten Zerstörungsorgien wie in Hancock (dem guten Drittel des Films) ist hier keine Spur.
Schwache Figuren, verschenktes Potential
Auch unser Antiheld ist nur gemäßigt Anti. Klar, er ist ein wenig knurrig und er guckt Pornos, aber damit hat es sich auch schon. Seine Joghurt-Obsession ist sein schrägster Charakterzug, aber selbst hier hält sich der Film ziemlich zurück. Das macht leider den ganzen Film zu einer etwas trockenen Affäre. Die permanenten Anime-Andeutungen teasern die ganze Zeit einen spaßig-überdrehten Superheldenfilm an, der dann aber nie kommt. Was nicht schlimm wäre, wenn der Protagonist interessanter wäre. So sind seine Szenen und somit auch der ganze Film ein wenig dröge, während man auf interessantere Momente wartet, die nie eintreffen.
Stattdessen bekommen wir eine etwas strange Romanze mit der obsessiven Alessia. Was genau der Film damit erreichen will, ist nicht ganz klar. Alessia ist alles in allem eher nervig als sympathisch und ihre psychischen Probleme verleihen der Liebesgeschichte (und der lang gezogenen, deplatziert wirkenden Sexszene zwischen ihr und Enzo) eine etwas unkomfortable Note. Der Ansatz ist nicht schlecht, aber wie auch der Rest des Films bleibt das alles etwas halbgar und altbacken.
Fabio!
Zum Glück gibt es da noch Fabio. Obwohl er in ein Klischeetöpfchen nach dem anderen tritt, hat Schauspieler Luca Marinelli sichtlich Spaß inne Backen und das verleiht Jeeg Robot in jeder Szene mit Fabio endlich mal ein bisschen Energie. Mit langen fettigen Haarzotteln und weit aufgerissenen Augen overacted er sich tanzend und karaokesingend durch den Film. Sein Charakter ist gespickt mit absurden, vollkommen sinnlosen Details: Er war mal Kandidat bei Big Brother (!), einer seiner Henchmen heißt Sperma (!!) und in seiner ersten Szene ermordet er jemanden mit einem iPhone-Case (!!!).
In Momenten wie diesen scheint ein deutlich spaßigerer Film durch, was das Endprodukt umso enttäuschender aussehen lässt. Leider ist das Drumherum viel zu trocken und ernsthaft für einen Film mit solch einem spektakulären Titel. Vielleicht ist das die falsche Erwartungshaltung, aber für einen subtilen, ernsten Film über einen (Anti)-Superhelden ist Jeeg Robot einfach zu klischeehaft und trocken. Ein bisschen mehr Mut und Konsequenz, egal in welche Richtung, hätte dem fast zwei Stunden langen Film echt gut getan. So bleibt leider nur ein solider, handwerklich sauberer Genrefilm, der sich viel zu ernst nimmt. Lieber also nochmal Hancock einschalten und nach etwa 30 Minuten abschalten. Oder gleich zu Troma gehen und Toxic Avenger einschalten. Das ist noch ein Nuklearschleim-Superheld nach meinem Geschmack!
Disclaimer: Fischpott hat von Pandastorm die DVD zu Rezensionszwecken erhalten.
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