Street Fighter (1994)
Es gibt eine Videospielserie namens Street Fighter: Die besten Kampfsportler der Welt treffen in ihren jeweils (stereotyp) landesüblichen Kampfeskünsten 1-gegen-1 aufeinander, last (wo)man standing. Und dann gibt es die entsprechende Verfilmung: Hier kann fast keiner kämpfen – hat auch keinen Grund dazu – und wenn er es dann doch tut, ist’s halt scheiße.
Als Universal Pictures die Verfilmung der geilen Capcom-Reihe Street Fighter (u.a. SNES) ankündigte, war sofort jedem klar, wie das Drehbuch aussehen würde und wer da mitspielt. Die besten Actiondarsteller der späten 70er, 80er und frühen 90er würden in aufwändig dekorierten Arenen in Mann-gegen-Frau-Duellen gegeneinander antreten und die am besten choreographierten Fistfights bieten, die das Actionkino je gesehen hatte. Originalgetreu bestünde der Cast aus 8 (moralisch integren, maximal zwielichtigen) Artisten, drei Bösen (Balrog, Vincent Vega und Sagat) und einem übernatürlichen Endboss: General M. Bison.
In der Vorrunde treten gegeneinander an (die Sieger mit Sternchen):
- Ryu* (Jackie Chan) gegen Edmond Honda (John Candy)
- Ken* (Chuck Norris) gegen Carlos Blanka (ein grün angemalter Sylvester Stallone)
- Dhalsim* (Ben Kingsley) gegen Zangief (Dolph Lundgren)
- Colonel Guile (Jean-Claude van Damme) gegen Chun Li* (Michelle Yeoh)
Im Halbfinale macht Jackie Chan dann Hackfleisch aus Ben Kingsley (Karate gegen Yoga, KO nach 23 Sekunden) und Chuck Norris wischt mit Michelle Yeoh den Fußboden – entschuldigt sich aber höflich und rechtfertigt sich mit den Worten: „A man’s gotta do what a man’s gotta do.“ Das vorläufige Finale (in Paris) entscheidet Ken dann überraschend erst in der zweiten Runde, weil Jackie Chan ständig den Eifelturm rauf flüchtet und Chuck Norris sich juristisch absichert, ob er „das Drecksding“ (O-Ton) abreißen dürfe.
Dann geht’s aber erst richtig los: Ken alias Chuck Norris muss sich nun mit den Zwischenbossen messen und vertrimmt der Reihe nach Balrog (Wesley Snipes) in Las Vegas, Vincent Vega (Mel Gibson) in Madrid und schließlich Sagat in Bangkok, von keinem geringeren gespielt als dem 2,23m-Hünen Steven Seagal. Der Showdown mit dem übernatürlichen Wesen M. Bison (Arnold Schwarzenegger), Chef des weltweiten Verbrechersyndikats Shadaloo, findet einerseits ganz pittoresk auf dem Mond statt, gerät aber andererseits zur schnellen und erwarteten Blamage für Bison. Zwar setzt Norris handgestoppte viereinhalb Sekunden nach Kampfbeginn unter dem tosenden Applaus der vier Millionen zum Mond mitgereisten Fans noch zu einem spektakulären Roundhousekick an – aber zu diesem Zeitpunkt ist sein Gegner bereits tot. Toller Actionfilm!
…doch, Moment! Das war ja gar nicht das richtige Drehbuch. Es war nur das Drehbuch, wie es hätte sein sollen, hätte man einen guten Actionfilm im Sinn gehabt. Stattdessen finden wir in den Haupt- und Nebenrollen Byron Mann (??) als Ryu, Damian Chapa (??) als Ken, Kylie Minogue (!!) als Cammy und einen zwergenhaften Wes Studi (??), der den 2,23m großen Muay-Thai-Riesen Sagat spielen soll. Immerhin Jean-Claude van Damme spielt die Hauptrolle des Colonel Guile, kann aber nicht richtig überzeugen, weil sonst keiner am Set ist, der mit ihm kämpfen könnte. Deshalb tritt van Damme den ganzen Film eigentlich nur wehrlose Gegner mit übertrieben hohen Kicks aus dem Weg. Auch der wesentliche Antagonist Bison (Raul Julia) serviert zwar die ein oder andere lustige Punchline, kann aber nicht wirklich geradeaus boxen.
Die ganze Action in dem Film ist unfassbar schlecht. Es gibt keine Choreographien. Ken und Ryu – in der Videospielreihe der Inbegriff des Shotokan-Karate – schlagen nie zweimal am Stück zu. Offenbar muss jeder Take einer Schlagkombination so misslungen sein, dass dazwischen wieder ein neuer Schnitt eingefügt werden musste. Überdies ist eigentlich nicht ganz klar, was die beiden in dem Film überhaupt machen. Was auch für die anderen Darsteller gilt. Dhalsim ist plötzlich eine Art Ingenieur, Chun-Li ist Reporterin und Kiley Minogue … naja, ist halt auch da (soweit ich weiß, schämt sie sich für diesen Film).
Zur Geschichte tragen die alle nichts bei. Die geht nämlich so: Bison entführt Geiseln und will Geld. Nur Guile kann ihn rausholen und tut das auch, weil Bisons Plan sehr schlecht ist. Am Ende will Bison sogar noch alle Geiseln hinrichten (und damit sein Druckmittel aufgeben), aber seine Soldaten ballern wild daneben. Den Endkampf gegen van Damme verliert er natürlich haushoch, weil er zwar fliegen kann (zumindest soll das so aussehen) aber das nur sehr langsam, so dass Guile ihn mit ein paar Drehkicks (die in den Videospielen so gar nicht vorkommen) in Rente schickt.
Wenn mal wieder jemand ein Videospiel verfilmen will, in dem gekämpft wird, habe ich einen Tipp parat: Denken Sie sich eine Geschichte aus, die einen Grund dafür liefert, dass Leute kämpfen. Und suchen Sie nach Leuten, die kämpfen können. Weil bei „Street Fighter“ an beides nicht gedacht wurde, wird er nun als eine der schlechtesten Videospielverfilmungen aller Zeiten genannt:1 In einer Reihe mit Uwe Boll(!). Selbst Schuld.