The Bourne Ultimatum (2007)
Will Hunting als Actionheld, ein Regiewechsel für die Sequels, wacklige Kameras und ein Agent ohne Geliebte: Was wie ein Rezept für ein Desaster klingt, ist die Kurzbeschreibung eines modernen Actionklassikers, dessen herausragende Szenen in anderthalb Jahrzehnten nicht getoppt wurden: am 25. Juli 2022 wird Das Bourne Ultimatum 15 Jahre alt.
Erinnern wir uns: In The Bourne Identity verlor Jason Bourne sein Gedächtnis im Mittelmeer und erprügelte es sich in Zürich und Paris zurück: Ein gemeiner CIA-Killer war er. Zwar schaffte er es gegen Ende des Films, diesen hinterhältigen Beruf abzustreifen, musste aber in The Bourne Supremacy lernen, dass man eine Vergangenheit wie seine niemals hinter sich lässt: Frau tot, Ruf ruiniert. Das Bourne Ultimatum führt uns nun zu der Frage: Wie ist er denn eigentlich zu dem geworden, der er ist?
Schlechte Voraussetzungen
Dabei sah es anfangs nicht so aus, als würde es überhaupt eine Fortsetzung geben: Ein schwieriges Verhältnis zwischen Regisseur und Studio, Verzögerungen durch 9/11 und kostspielige Nachdrehs von Szenen ließen The Bourne Identity unter keinem guten Stern stehen. Und dann dieser Hauptdarsteller! Nachdem man ordnungsgemäß Russell Crowe, Arnold Schwarzenegger, Tom Cruise, Sylvester Stallone und sogar Brad Pitt für diese echte Männerrolle kontaktierte, landete man am Ende bei diesem Schlaumeier Matt Damon, bekannt aus Good Will Hunting. Dieses Milchgesicht mit dem kleinen Kopf. Erste Testaudienzen kotzten Gerüchten zufolge im Strahl.
Nun, am Ende sprachen 214 Millionen Einspielergebnis aus einem 60-Millionen-Dollar-Budget ein Machtwort zugunsten zweier Sequels.
Ein englischer Dokumentarfilmer übernimmt
Selten gilt es als gutes Vorzeichen, wenn der Regisseur für die Sequels wechselt. Für Kick-Ass zum Beispiel war es der Todesstoß. Nicht aber so im Falle der Bourne Verschwörung und des Bourne Ultimatums: Paul Greengrass übernahm die Bourne-Formel in Teil 2 und erweiterte diese um sein Markenzeichen: die shaky cam. Diese wird in der Bourne Verschwörung noch nicht so elegant eingesetzt wie im Ultimatum, aber das Publikum konnte sich schon mal dran gewöhnen. Zudem wurden mit Pamela Landy und Nicky Parsons wichtige Charaktere aufgebaut.
Small-scale-Action
The Bourne Ultimatum hat ein IMDB-Ranking von 8.0, höher als seine Vorgänger und eigentlich unerhört für eine Action-Fortsetzung, wenn man mal von The Dark Knight absieht. Wie kann das sein? Nun, man könnte sagen, dass es einfach gelungen ist, die Handlung der ersten beiden Teile klug abzuschließen. Aber seien wir ehrlich: So was interessiert keine Sau. Und abgesehen davon existierte selbst während der Dreharbeiten noch kein konsistentes Script.1
Nein, es ist die Miniatur-Action, die mit der Mini-Cooper-Verfolgungsjagd im ersten Teil begann. Damit ist nicht gemeint, dass die Szenen billig sind. Nur, dass das Werkzeug kleiner ist und das seinen eigenen Reiz hat: Jason Bourne fährt der Polizei im Cooper davon. Jason Bourne schießt mit der Schrotflinte, nicht mit dem Maschinengewehr. Für ihn sind Bücher und Stifte Waffen. Er spuckt dem Gegner Wodka ins Gesicht. Er fährt Moped. Und vor allem trickst er seine Gegner aus.
Unglaubliche Szenen
Und genau das wurde im Bourne Ultimatum auf die Spitze getrieben und seitdem nie wieder erreicht.2 Gleich der Auftakt in Moskau verschwendet keine Zeit, in dem Bourne zwei Polizisten mit einer schnellen Bewegung entwaffnet. Aber spätestens mit der Katz-und-Maus-Jagd in der Waterloo-Station (London) ist man als Zuschauer gefasst, kann die Paranoia förmlich spüren und fragt sich zugleich: Wie konnte man diese Szene in der echten, überfüllten Waterloo Station drehen, ohne dass ständig jemand in die Kamera guckt und den Take ruiniert? Schon diese Szene, die in einem traumhaft choreographierten Kampf auf engstem Raum mündet, gehört zum Besten, was jemals in Actionfilmen gedreht wurde. Ähnliches gilt, wenn auch in bescheidenerem Maße, für die Szenen in Madrid und New York.
Dieser eine Kampf
Aber was The Bourne Ultimatum in den Actionolymp hebt, ist diese eine Szene in Tangier, Marokko. Es ist schon faszinierend und beklemmend genug, Damon mit dem Moped durch die steilen Gassen brettern, über die Dächer rennen und durch ein geschlossenes Fenster springen zu sehen. Aber was folgt, ist die – hands down – Mutter aller 1-gegen-1-Kämpfe: Bourne vs. Desh. Es ist schwer den Finger darauf zu legen, was daran so geil ist. Für etwa 90 Sekunden vermöbeln sich zwei gleichwertige Kontrahenten in einem engen, schwach belichteten Raum mit allerlei Mobiliar. Keine Musik, nur dumpfe Schlag- und laute Atemgeräusche. Und die shaky cam gelangt zu ihrer wahren Bestimmung, In diesem Kampf ist man mittendrin, hat zwischenzeitig keine Ahnung, wo man gerade ist (wie vermutlich in einem echten Kampf), gewinnt wieder die Orientierung und hat das Gefühl, dem Gegner selbst auf die Fresse zu hauen – oder selbst verprügelt zu werden, was angesichts der Brutalität dieser Szene und der Kampferfahrung der Protagonisten keine angenehme Vorstellung ist. Am Ende ist man mental und visuell so erschöpft wie Matt Damon aussieht, wenn er seine letzte Luft in den Würgegriff legt.
Kluge Entscheidungen und ein ehrlicher Hauptdarsteller
Es ist also im Wesentlichen das solide Handwerk, welches The Bourne Ultimatum zu einem modernen Klassiker macht. Hinzu kommen eine Reihe kluger Castingentscheidungen – Julia Stiles und Joan Allen als das gute Gewissen der CIA funktionieren an der Seite von Damon ausgesprochen gut, David Strathairn als Geheimdienst-Arschloch ist mehr als überzeugend und, so leid es mir tut, vermisst man Franka Potente nicht allzusehr. Als erfreulichen Bonus erhielt Paddy Considine (Dead Man’s Shoes) eine aufregende Nebenrolle.
Und schließlich: Da Bourne ein bodenständiger, pragmatischer Gegenentwurf zu James Bond ist, war es der Vermarktung sicherlich zuträglich, dass Matt Damon den Filmen keine mythische Überhöhung anzudichten versuchte, sondern sie stets als das verkaufte, was sie sind: Actionfilme. Die Darstellung der Überwachung ist für ihn keine Sozialkritik, sondern nur die Chilisauce auf der Action. Er behauptet nicht, all die Sprachen zu sprechen, die seine Figur beherrscht. Und er hat stets betont, dass das Bourne-Franchise die Kohlemaschine ist, die es ihm erlaubt, die Filme zu drehen, auf die er wirklich Bock hatte – Syriana, The Departed, Good Shepherd. Eine Offenheit, die man nur selten trifft.
Fazit: The Bourne Ultimatum ist gut gealtert
The Bourne Ultimatum war damals ein Meisterwerk und kann auch nach heutigen Maßstäben als solches gelten. Wer auf das ganze Ding keine Lust hat, der kann sich aber auch einfach die einzelnen Szenen auf YouTube reinziehen, denn diese funktionieren auch für sich und in beliebiger Reihenfolge. So lässt sich nachvollziehen, dass jede davon gut gealtert und weitgehend unerreicht ist – für Gegenbeispiele bin ich offen.
Fünf von fünf Fischen im Pott.
- https://screenrant.com/bourne-ultimatum-movie-matt-damon-hated-reason/ ↩
- Taken mit Liam Neesson kommt dem wohl noch am nächsten. ↩