Am Sonntag bist du tot
So kamen sie an den Ort, der Golgota genannt wird, das heißt Schädelhöhe. Und sie gaben ihm Wein zu trinken, der mit Galle vermischt war; als er aber davon gekostet hatte, wollte er ihn nicht trinken. Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, warfen sie das Los und verteilten seine Kleider unter sich.
Am Sonntag bist du tot – im Original Calvary, Kalvarienberg – beginnt mit der wohl schockierendsten Beichte in Vater James’ Leben: Zum einen erzählt der Beichtende von seiner Kindheit. Fünf Jahre lang ist er immer wieder von einem katholischen Geistlichen vergewaltigt worden. Zum anderen kündigt er an, Vater James am nächsten Sonntag unten am Strand des kleinen irischen Dörfchens zu ermorden. Rache an seinem Vergewaltiger könne er nicht mehr üben, der sei bereits gestorben. Dafür werde aber der Tod eines „guten Priesters“ für Aufsehen sorgen. „Daraus würde niemand schlau werden.“ Dem Pater gibt der sich ankündigende Mörder eine Woche, um alle Dinge zu ordnen.
Was folgt, ist weder who-will-do-it noch will-he-do-it oder wie man einen Prä-Krimi nennen mag. Zwar kann sich der Zuschauer fragen, wer aus der Dorfgemeinde das Verbrechen plant, aber Hinweise auf den Täter fehlen. Nur der Pfarrer kennt dessen Identität und hadert den Film über mit seinem Schicksal. Denn Vater James muss entscheiden, ob er Sühne leistet oder nicht. Ob er sterben will für die Sünden eines anderen – oder, angesichts der gigantischen Vergewaltigungsskandale katholischer Priester in Irland und anderswo, zu sterben für die Sünden vieler. Das erinnert doch an jemanden.
Jesus in Irland
Pater James steht vor einer ähnlichen Wahl wie laut biblischer Überlieferung der Begründer der Christenheit. Dass Jesus-Analogien in Filmen, Büchern, etc. immer wieder auftauchen, ist kein Wunder. Zum einen ist seine Geschichte gemeinfrei, zum anderen ist der Fanclub des Wunderrabbiners immer noch sehr aktiv und eine nicht zu unterschätzende Zielgruppe. Aber nicht jeder macht sich die Mühe wie Mel Gibson, das Galiläa der Antike samt aramäischsprechender Statisterei aufzubauen. Viel schmissiger ist es doch. Jesus in die Gegenwart zu versetzen. Dabei scheint nur eine eherne Regel zu gelten: Egal, ob Jesus schwarz, weiblich oder schwul ist, er ist eher obdachlos oder ein jugendlicher Junkie als ein katholischer Priester. Es fällt also schwer zu glauben, dass der 58-jährige, massige Brendan Gleeson als irischer Priester die Rolle des Messias übernimmt.
Dabei sind die Anleihen an den Kreuzweg offensichtlich. Die erste Station, Pilatus’ Todesurteil findet sich in der oben genannten Beichtstuhlszene. Statt Simon von Cyrene begegnet Vater James dem Automechaniker Simon von der Elfenbeinküste. Veronica ist nicht die mit dem Schweißtuch, sondern die untreue Gattin des Dorfmetzgers. Jesus begegnet seiner Mutter, James seiner Tochter Fiona (Kelly Reilly). Verspielt zitiert Regisseur John Michael McDonagh in Am Sonntag bist du tot die Stationen des Leidensweges. Dabei arten all diese kleinen Insider keineswegs in eine Bibelzitatorgie aus. Die Geschichte spinnt sich auch für weniger bibelfeste – bibelweiche? – Zuschauerinnen dynamisch weiter, bis sich der Pater am Kreuzweg entscheiden muss.

Brendan Gleeson als Vater James und Kelly Reilly als seine Tochter Fiona.
Glaube versetzt Berge
Am Sonntag bist du tot ist großartig besetzt. Der Cast, darunter Chris O’Dowd (Roy aus der legendären Serie IT-Crowd) und Aidan Gillen (Littlefinger aus Game Of Thrones) macht seine Sache gut und Brendan Gleeson brilliert als lebensnaher Priester, der trinkt, tanzt und vor seiner Berufung ein Leben als Familienvater hatte. Die Landschaft spielt eine große Rolle. In fast jeder Außenszene ist der Tafelberg Binn Ghulbain zu sehen und erinnert mit seiner dräuenden Präsenz an den titelgebenden Kalvarienberg. Am Sonntag bist du tot ist, wie zu erwarten, keine launige irische Komödie mit skurrilen trinkfesten Dörflern und verschrobener Idylle. Eher wirft der Film religiöse und philosophische Fragen auf. Skurrile Dörfler hat es zwar auch, aber die sind keine grün gefärbten Hillbillies sondern interessant-kaputte Gestalten, oft sexuell frustriert, depressiv oder sogar gewalttätig.

Dorfpfarrer und Dorfmetzger: Brendan Gleeson und Chris O’Dowd.
In nomine Brendani
Jesus als Priester – da liegt es nahe, Am Sonntag bist du tot für einen Werbefilm der katholischen Kirche zu halten. Aber das wäre zu einfach. Zwar steht mit Vater James eine sehr positive Figur im Vordergrund, dafür sind sein zweifelnder Priesterkollege und der gelangweilte Bischof um so negativer. Zudem ist der irische Missbrauchsskandal für einen „Propagandafilm“ zu sehr präsent. Vielleicht ist das Drama um Pater James für echte Gläubige inspirierend, uns Religionslosen bietet es die Neuerzählung einer spannenden Geschichte aus alter Zeit.
Am Sonntag bist du tot ist ein herausragender Film, der trotz oder wegen seiner religiösen Komponente zu unterhalten vermag. Nach The Guard ist er die zweite Kooperation von John Michael McDonagh und Brendan Gleeson und macht neugierig auf den nächsten Film, der das Ende der Trilogie darstellt: The Lame Shall Enter First über einen Cop im Rollstuhl.
Jede_r nur ein Kreuz!
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