Illusion of Time (1995)
Illusion of Time ist ein Action-Adventure für das SNES und wurde von Quintet entwickelt. Das Spiel hat einige ganz interessante Ideen, ist graphisch anspruchsvoll und hat eine recht ausgefallene Story. Im Vergleich mit Zelda oder Secret of Mana jedoch – und mit diesem Anspruch wurde es in Europa vermarktet – ist Illusion of Time eine Wurst.
Ein Komet nähert sich der Erde. Der 17-jährige Protagonist Will reist um die Welt, um herauszufinden, was es damit auf sich hat. Dabei gelangt er von einem interessanten Ort zum anderen, und zwar zu Schauplätzen von in unserer Welt existierenden Ruinen (Angkor Wat, der Chinesischen Mauer, den ägyptischen Pyramiden und alten Inka-Tempeln) oder zu mystischen Orten (dem Land Mu oder dem Turm zu Babel). Das klingt ja zunächst mal ganz interessant.
Das Problem an dieser Geschichte ist, dass sie zwar einerseits völlig linear erzählt wird, andererseits aber total zusammenhangs- und damit belanglos. Man bekommt so kein Gespür für die Art Zeitreise, die man vermutlich bei der Story empfinden soll. Man kann auch die einmal durchgespielten Orte nicht erneut besuchen, was einem nachträgliche Besuche und Vergleiche unmöglich macht. Zudem durchschreitet man keine Wege von A nach B, sondern wird in kurzen Sequenzen über eine Weltkarte einfach von A nach B befördert, sozusagen gebeamt (was ja für Rollenspiele auch nicht völlig unüblich ist). So bekommt man eher den Eindruck, dass die Entwickler mit der Story von Illusion of Time keinen historischen Roman erzählen, sondern sich – um sich die Mühe einer originellen Geschichte zu sparen – einfach historischer Versatzstücke bedienen. Die graphische Aufbereitung ist für damalige Verhältnisse durchaus hübsch und abwechslungsreich gestaltet, das gilt für den Sound aber umso weniger: Der ist langweilig.
Das Gameplay hingegen wartet mit einigen Kniffen auf und ist damit origineller als die Geschichte; das muss aber nicht immer gut sein. Man kämpft, wie bei Secret of Mana und Zelda, in Echtzeit – wenn auch immer nur mit einer Waffe (Will kämpft, Achtung: mit einer Flöte). Die Steuerung ist dabei subtil, angenehm und durchaus gelungen, für die Kämpfe bekommt man schnell ein gutes Gespür. Der Kamerawinkel variiert dabei je nach Location, so dass es auch seitliche 2D-Sequenzen gibt, die an Jump’n’Runs wie Super Mario Bros. erinnern. Die Endbosse sind meines Erachtens auch halbwegs ausgewogen.
Was hingegen zu einem großen Unsinn verkommen ist, ist die Idee des Auflevelns. Hier werden keine Erfahrungspunkte (wie u.a. bei Secret of Mana) oder Herzcontainer für das Besiegen von Bossen gewonnen (=Zelda), sondern man gewinnt ein Attribut hinzu (Stärke, Verteidigung, Lebenspunkte), wenn man jeden einzelnen Gegner in einem klar umrissenen Gebiet verputzt hat. Bleibt einer über, bekommt man nix. Und wenn man zu oft einen Gegner übersieht, wird das Spiel mit der Zeit – wir erinnern uns: man kann nicht zurück – ganz schön schwer. Zumal man nur mit Heilkräutern gegensteuern kann, die wiederum begrenzt sind. Das ist irgendwie ziemlich bescheuert. Ich verstehe ja, dass man den Spieler zu Gründlichkeit animieren will – dafür gibt es aber sicher bessere Konzepte.
Ein weitaus schönerer Aspekt des Spiels ist die Möglichkeit der Verwandlung: Will kann sich in so genannten Sphärenportalen in den dunklen Ritter Freedan oder (seltener) auch in Shadow verwandeln; beides vermutlich Phänotypen seiner selbst, die aber größere Reichweiten haben, zudem weitere Fähigkeiten und auch stärkere Kämpfer sind. Die meisten Rätsel des Spiels – derer es nicht übermäßig viele gibt – erstrecken sich darauf, sich im rechten Moment zu verwandeln und die einzelnen Eigenschaften der drei Metamorphosen Wills auszunutzen. Ansonsten ist es die Hauptaufgabe des Spielers, sich nicht zu verlaufen.
Bevor ich zur Abschlusskritik ansetze, sei ein kleines Bonbon des Spiels erwähnt: Rote Juwelen. Diese verstecken sich an allen möglichen Orten und man kann diese dann gegen verschiedene Eigenschaften eintauschen. Findet man alle 50, lässt sich ein Extralevel freischalten – mit dem schwersten Boss des Spiels! Den Oscar für das originellste Game-Feature gibt’s aber auch dafür nicht (den gibt es, soviel ist klar, für die Ahnenhöhle in Lufia).
Insgesamt ist Illusion of Time nicht besonders originell. Und wenn es mal originell ist, ist das nicht immer gut. Schlimmer aber ist: Illusion of Time ist immer zu linear, meistens zu leicht und vor allem viel zu kurz. Als ich mir das Spiel mit 11 Jahren gekauft habe, – und ich war wahrlich nicht die hellste Kerze auf der Torte – habe ich circa zehn Tage gebraucht, um es durchzuzocken. Außerhalb der Ferien. Stellt Euch vor, Zelda III – A Link to the Past wäre vorbei, nachdem Ihr das Master-Schwert gefunden habt. Dann habt Ihr ein Gespür für den Umfang von Illusion of Time.
Für ein 130-DM-Spiel war das damals einfach zu wenig.