Yardie von Idris Elba
Was, fragt im Film der Yardie, ist ein Yuppie? Umgekehrt funktioniert die Frage noch viel besser: Was ist ein Yardie? Der Begriff führt in die Rasta-Szene und wird dort für Gangster ebenso benutzt wie für jamaikanische Auswanderer, insbesondere jene nach London. Dort leben Yardies und Yuppies ihre illegale Symbiose, in der einer den Koks liefert, den der andere schnieft.
Schauspieler und Musiker Idris Elba hatte als Londoner mit jamaikanischen Wurzeln alles Zeug, um 2018 mit Yardie sein Debüt als Regisseur zu geben. Der Film nach der Romanvorlage von Victor Headley füllt eine verdammte Lücke, die man sich eigentlich nie so recht vor Augen geführt hat. Denn, ja, Rasta ist Kult, über Dreadlocks wundern sich nicht mal die Omis mehr, Reggae nudelt seit seinem Entstehen Ende der 60er über die Plattenteller und schaffte es sogar zum immateriellen Kulturgut. Doch was zum Teufel wäre in der Kinowelt auf Jamaika angesiedelt und wurde gar noch an Originalschauplätzen gedreht?
Herrlich bepisste Locations hat Elba in Kingston und in London aufgetan, um das Milieu glaubhaft auf der Leinwand auszubreiten – und nun eben, nach Erscheinen von DVD und Blu-ray, auch auf heimischen Monitoren in Top-Bildqualität. Die Story nimmt Anlauf mit einem Bandenkrieg in den frühen 70ern, als Lord Creator den Song „Kingston Town“ komponierte. „The place I long to be, if I had the whole world, I would give it away just to see the girls at play.“ Fast selbstverständlich, dass exakt dieser mild-nervöse Hit die Nacht erwärmt, in der ein Mord geschieht. Dabei muss man es dem 1972 geborenen Elba hoch anrechnen, dass er tatsächlich mit Creators Urfassung von „Kingston Town“ untermalt und nicht mit der viel später erschienenen, aber weitaus bekannteren Version von UB40.
Wenn es einen mitten im Bandenkrieg am Arsch kriegt, dann Gute Nacht. Der Tod eines Kindes zwischen den Fronten triggert in Jerry die Verwandlung. Er macht Party im berüchtigten No Man’s Land in der Hoffnung, bei Musik und Tanz die Hitzköpfe aussöhnen zu können. Doch dann kriegt es ihn am Arsch, weil Frieden im Getto wegen gewisser Gesetzmäßigkeiten nicht funktioniert. Übrigens auch in der realen Welt von Kingston bis heute nicht.
Das Brodeln dürfte ein Grund sein, warum Jamaika so selten auf der Leinwand erscheint. Schließlich kann es leicht auch ein vorwitziges Kamerateam mit fettem Equipment am Arsch kriegen. Idris Elba war die Szene hinreichend geläufig, um mitten in Kingstons Viertel Rose Garden einen Waffenstillstand zwischen den Banden aushandeln und sein Ding drehen zu können. Nicht minder sind ihm jene Gesetzmäßigkeiten geläufig, die er meisterhaft herausarbeitet.
Dennis – „man nennt mich nur D.“ – steht als Jugendlicher fragend in einer Welt zwischen Gut und Böse. Am einen Ende schillern sein Bruder Jerry als Friedensstifter und sein Mädel Yvonne als gütige Liebe seines Lebens, während am anderen Ende die Yardies zerren. Als Jerry Opfer eines minderjährigen Auftragskillers wird, packt D., glänzend einfühlsam gespielt von Aml Ameen, der heilige Zorn. Mit einem Packen Kokain als Handelsware zieht er nach London, um den dorthin geflohenen Mörder kalt zu machen. Dass er Yvonne samt der gemeinsamen Tochter mit in den Sumpf zieht, passiert dabei, so als wäre Sumpf insgeheim der Lohn des Lebens.
Mit Yvonne hat das Gute einen Namen – und wen es nicht stört, obwohl man diesen Punkt rot anstreichen könnte: Sie ist Christin, der halb-böse D. dagegen überzeugter Rasta mit solidem Hang zum Geisterglauben. Über den Plot rettet sich die Liebesgeschichte zwischen beiden, die über Blut und Hass hinweg sympathisch und authentisch bleibt. Dass dies so glaubhaft und fern von jedem Kitsch rüberkommt, ist auch Verdienst von Schauspielerin Shantol Jackson. Eine verschärfte Empfehlung für diesen Film, seine grandiose Umsetzung, seine Bilder, seine Spannung und seine unterschwelligen Botschaften.