Knights of Xentar
Desmond: „Kate!“
Kate: „Desmond! Ich habe Dich vermisst.“
Desmond: „Bestimmt. Ich war kaum weg, da hast Du Pietro geheiratet.“
Kate: „Nun, es ist schwer, Batterien in einer mittelalterlichen Welt zu finden.“
Durch das Amalgam derart unzüchtiger Dialoge mit klassischer Konsolen-Spielmechanik wird Knights of Xentar von einem durchschnittlichen zu einem ganz besonderen RPG.
Xentar ist, salopp ausgedrückt, ein Manga-Titten-Rollenspiel von Megatech aus dem Jahr 1995 1, der dritte Teil der Dragon Knight-Reihe und deren einziger Teil, der jemals außerhalb Japans erschien. Xentars Dialoge wurden komplett auf deutsch eingesprochen. 2
Story. Protagonist Desmond, 20, trifft zu Beginn in der Stadt Elendsenke ein. Desmond ist Frauenheld und Trunkenbold, und so ist es Banditen ein Leichtes, ihm seine prächtige Genji-Rüstung und sein tödliches Falkenschwert zu stibitzen. Nun befindet er sich also nackt – von der Damenwelt belächelt – auf der Suche nach Geld und einer Unterhose. Glücklicherweise hat der Bürgermeister eine bezahlte Aufgabe für ihn, die er mangels Alternativen annimmt. So geht die Reise für Desmond los, und sie soll nicht enden, bevor er nicht die ganze Welt durchquert, Monster besiegt, seine Freunde Rolf und Luna gefunden, willige Frauen kennengelernt und, vor allem, das Rätsel seiner eigenen Existenz gelöst haben wird. Ist am Ende alles nur eine Wette?
Gameplay. Die fortschreitende Handlung provoziert ein für Konsolenspiele a lá Final Fantasy übliche wiederkehrende Sequenz: Stadt – ausrüsten – Auftrag entgegennehmen – Verlies finden – Verlies durchlaufen – Endgegner plattmachen – neue Stadt – neu ausrüsten – […]. Man muss schon durch Gameboy und SNES allzu verdorben sein, um DAS zu mögen, und, um das offen zu sagen: Ich bin nicht nur durch SNES und Gameboy verdorben, sondern das auch noch gerne.
Das Geschehen in der Welt wird aus der Vogelperspektive betrachtet, das Kampfgeschehen hingegen von der Seite. Die Kämpfe finden zufällig statt. Weder inner- noch außerhalb der Dungeons sieht man, wann man gegen wen kämpft (von Endgegnern abgesehen). Die Frequenz der Konfrontationen ist allerdings sehr gelungen und nicht so nervig wie zum Beispiel bei Lufia (Teil I). Der Spieler ist dabei nur bedingt am Erfolg seiner Charaktere beteiligt, er kann ihnen zum Beispiel Heiltränke geben, sie zaubern lassen oder ihnen taktische Anweisungen geben (zum Beispiel seltener, dafür aber härter treffen).
Außerhalb der Kämpfe handeln die Charaktere automatisch. Wenn also eine Truhe berührt wird, wird sie geöffnet, wenn eine Person erreicht wird, wird sie angesprochen und wenn etwas im Weg liegt, wird der richtige Gegenstand – sofern vorhanden – eingesetzt. Im Vergleich zu The Legend of Zelda beispielsweise mag man sich als Spieler also durchaus in einer (zu) passiven Rolle wägen.
Der Schwierigkeitsgrad der Kämpfe ist so mittel – grundsätzlich alles gut machbar, gelegentlich trifft man dann unerwartet doch auf ein Monster, das einen schwupsdiwups erledigt. Wenn Desmond seine Freunde erst einmal gefunden und seine Truppenstärke auf drei geschraubt hat, gilt es aber zu bedenken: einer tot, alle tot. Dieser Umstand kann schonmal knifflig werden, gibt es doch Monster, die gezielt die schwache Luna angreifen. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel ist eher leicht als mittel, bis auf einige Ausnahmen ist mit ein bisschen Geduld und Suchen alles gut zu knacken.
Graphik und Sound sind selbst für den Zeitpunkt der Veröffentlichung unterdurchschnittlich. Die Figuren sehen zum großen Teil sehr ähnlich aus, bewegen sich dämlich und in der Außenwelt wurde an Details gespart. Allein die Manga-Standbilder bei längeren Dialogen machen optisch etwas her. Die Hintergrundmelodien fallen im Vergleich zu Zelda- oder Final-Fantasy-Kompositionen deutlich ab.
Ganz anders stellt sich das bei der Sprachversion dar: Die ist brillant. Sämtliche Dialoge wurden auf deutsch eingesprochen, offenbar wurde für fast jeden Charakter eine eigene Stimme verwendet (oder der ein oder andere Virtuose lässt mich dies zumindest glauben – wenn dem so ist, Hut ab auch dafür) und die Intonation der Texte wird der Stimmung der jeweiligen Situation stets gerecht.
Text. Und jetzt kommen wir zur Sache: Die Texte sind’s, die Xentar so spaßig machen. Die Story verfällt zwar bisweilen in reine Albernheiten, zum Beispiel wenn der Held ein Katzendorf retten muss, weil eine Hundebande ihm die Thunfischleber geklaut hat – alles in allem ist das Skript aber wirklich originell witzig und ist vor allem für die prüde Generation Zelda3 eine schöne Abwechslung. Die Skriptautoren sprechen durch die Vierte Wand zu uns, lauter Anachronismen werden in die Dialoge eingestreut (siehe oben) und deplatzierte Kommentare des Hauptdarstellers runden den Spaß ab („Was glaubst Du, wie ich an die Hauptrolle in diesem Spiel gekommen bin? Talent!?“). Und das, ohne jemals die Haupthandlung außer Acht zu lassen oder durch den Kakao zu ziehen. Wirklich stark.
Gesamturteil. Wer eine kindliche Story und ein traditionelles Kampf- und Rüstungssystem wünscht, spiele Mystic Quest. Wer nach einer reifen Story mit komplexem Rundensystem sucht, spiele Baldur’s Gate. Wer sich nach einem guten Skript mit traditionellem Handling sehnt, der widme sich Knights of Xentar!
Fischpott Disclaimer: Das Spiel ist schon vor ungefähr zwanzig Jahren auf Deutsch erschienen.
- Die japanische Version erschien ursprünglich bereits 1991. ↩
- Auf neueren Betriebssystemen läuft Xentar in der DOS-BOX. http://www.chip.de/downloads/DOSBox_13015039.html ↩
- Erinnern wir uns: In der Neuauflage von Zelda IV – Link’s Awakening wurde eine Szene geändert, weil Link einer Nixe ihr Bikinioberteil zurückbrachte. Pfui. ↩