Misfits – Staffel 1
Im Kino haben Superhelden seit langem absolute Hochkonjunktur und das nicht erst, seit „The Avengers“ sogar Harry Potter beim weltweiten Box-Office hinter sich ließ. Im TV sieht es da nicht anders aus. Serien wie „Heroes“ oder demnächst „Arrow“ bedienen das Genre, welches vor nicht allzu langer Zeit nur eine kleine Sparte in der Unterhaltungslandschaft bildete. Misfits ist der britische Versuch, sich in der Reihe der erfolgreichen Produktionen des Superkräftegenres zu etablieren.
Der Abschaum der Gesellschaft
Die von E4, einer Tochter des britischen Senders Channel4, bereits 2009 produzierte Serie begleitet fünf Außenseiter, die ihre gerichtlich verordnete gemeinnützige Arbeit ableisten. Diese könnten unterschiedlicher nicht sein. Curtis, eigentlich ein Weltklasseläufer, wurde mit Drogen erwischt und deshalb von den olympischen Spielen ausgeschlossen. Kelly, eine Proll-Dame wie sie im Buche steht, schlug zu, als sie von der neuen Freundin ihres Ex „Schlampe“ genannt wurde. Simon, ein introvertierter Nerd, mit einem Aussehen zwischen Emo und Goth, hat versucht das Haus eines Bekannten anzuzünden. Nathan, ein dauerquasselnder Halbstarker, der sich über alles und jeden lustig macht, hat Süßigkeiten geklaut und Alisha, eine verwöhnte Prinzessin, wurde betrunken am Steuer erwischt. Jeder für sich bedient ein Klischee und erscheint auf den ersten Blick recht eindimensional. Allerdings ändert sich dieser Eindruck schnell. Nicht nur durch die spannende Charakterentwicklung der Drehbuchautoren, sondern auch durch das eindringliche Spiel der jungen Schauspielerriege, allen voran Iwan Rheon (Simon).
Die etwas anderen Rächer
Das bis dahin recht ereignislose Leben der fünf Misfits ändert sich schlagartig, als sie während ihres Dienstes von einem ungewöhnlich starken Gewitter überrascht und schließlich vom Blitz getroffen werden. Nach und nach wird klar, dass nun zumindest vier von ihnen besondere Kräfte haben, die eine Facette ihrer Persönlichkeit wiederspiegeln. Kelly entdeckt, dass sie Gedanken lesen kann, dann macht Simon sich unsichtbar. Alisha versetzt jeden, der sie berührt, in unkontrollierbare sexuelle Wallungen. Curtis kann schließlich die Zeit zurückdrehen, wenn er emotional erschüttert wird. Nathan, so scheint es zumindest, geht leer aus. Diese Mixtur aus konventionellen Superkräften und eher skurrilen Fähigkeiten – die Obszönitäten, die wilde Männer Alisha an den Kopf werfen, lassen einen teilweise mit offenem Mund dastehen – macht bereits den ersten Reiz an „Misfits“ aus. Hier ist keiner superstark, kann fliegen oder schießt Laserstrahlen aus den Augen.
Folgenschwere Rehabilitation und Seniorensex
Bald müssen die Misfits auch einsehen, dass sie nicht die einzigen sind, auf die das Gewitter Auswirkungen hatte und das daraus nicht nur Superkräfte resultieren. So sehen sich die fünf Außenseiter damit konfrontiert, dass ihr Bewährungshelfer in blinder Rage auf sie losgeht, nachdem er bereits einen weiteren zur jugendlichen Straftäter mit einer Axt zerstückelt hat. Die Frage, wie man den in Notwehr erschlagenen Bewährungshelfer und den zerstückelten Kollegen los wird, ohne dass es die Polizei oder die neue, sehr neugierige, Bewährungshelferin mitbekommen bildet den Hauptplot der ersten Staffel. Jede der insgesamt sechs Episoden bietet aber skurrile bis packende Subplots. Da gibt es Sex mit einer 82-Jährigen, genauso wie das voreinander masturbierende Misfits. Was sich nach einer Sketchparade anhört hat aber durchaus ernste Untertöne. Generell nimmt die Serie ihre Figuren sehr ernst und zeigt eine stetige Entwicklung der Charaktere. Besonders Simon erreicht dabei eine furchteinflößend, bedrohliche Qualität. Die Serie ist also nichts für schwache Nerven und verweigert sich gezielt jeglichen Konventionen. So lässt sie den Zuschauer oftmals allein mit der Entscheidung, ob er/sie nun die Taten der Misfits, die einem mehr und mehr ans Herz wachsen, noch für gut heißen kann oder ob man nicht hoffen sollte, dass die Polizei von den Machenschaften Wind bekommt. Schwarz-weiß-Charakterisierung sucht man vergebens; hier ist alles grau. Genauso wie die unglaublich stimmige Kulisse des südöstlichen Londoner Bezirks Thamesmead, der seine wenigen grünen Flecken mit kargen Plattenbauten erschlägt.
Features
Die DVD bietet eher spärliche Extras, von denen sich einzig und allein das Making-of lohnt. Hier gibt es unter anderem einzelne Szenen in ihrer Entstehung und später als fertiges Produkt zu sehen. Dies gewährt einen seltenen und spannenden Einblick in die Machart einer TV-Serie. Die Extras beinhalten einige Spoiler. Also unbedingt zuerst alle Folgen gucken! Die deutsche Synchronisation kann man insgesamt als gelungen bezeichnen, allerdings geht bei Kelly einiges Verloren. Ihr „Chav“-Akzent wurde zu einer türkisch-deutschen Variante mit „Erkan & Stefan“ Einschlag. Das ist schade, ließ sich aber wohl nicht verhindern. Entsprechend gilt auch bei Misfits: Am besten in der Originalversion schauen! In Großbritannien gehört die Serie zu dem Erfolgreichsten, was im Moment ausgestrahlt wird und wurde vor kurzem sogar mit 2 BAFTAs geehrt. Kein Wunder also, dass bereits die amerikanischen Kollegen aufmerksam geworden sind und die Vorbereitung für ein US-Remake läuft. Man kann nur hoffen, dass es sich nicht auf dem gleichen Niveau bewegt, wie etwa die amerikanischen Versionen von „The IT Crowd“ und „Coupling“.
Wer will schon ein Misfit sein?
Lohnt sich also der Kauf der ersten Staffel, die seit dem 24.02.2012 erhältlich ist? Für jeden der auch nur ein bisschen für Superhelden übrig hat, oder skurrile Dramaserien mit bösem schwarzen Humor mag, ist dies mit einem uneingeschränkten „Ja!“ zu beantworten. Selten wird man das Genre wieder so innovativ, respektlos und packend erleben. Bleibt nur zu hoffen, dass die Macher nicht die gleichen Fehler begehen, die bereits die Qualität der späteren Staffeln von „Heroes“ gemindert haben. In Großbritannien wird bereits die vierte Staffel produziert. Wann hierzulande die zweite erscheint, ist noch nicht bekannt.
Kommentare
Misfits – Staffel 1 — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>