Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones (DVD)
Eine Spezialität des Hauses: die interviewartige Double Feature Rezension
Wenn ein Film mit Liam Neeson Ruhet in Frieden heißt, kann man sich eigentlich genau denken, worauf das Ganze hinauslaufen wird: Ein sicher nicht sehr friedlicher Protagonist lässt einen Haufen ebenfalls nicht sehr friedliche Antagonisten hart ins Grab beißen. Passenderweise heißt dieser Film dann im Original auch noch A Walk Among The Tombstones und ist uns vor allem durch den sehr gelungenen Trailer inklusive der Gänsehaut-pur-Coverversion von Black Hole Sun (Original: Soundgarden, Cover: Nouela) in Erinnerung geblieben. Ob am Ende ein Thumbs up oder ein Six Feet Under für diesen Film rausspringt, klären wir mit diesem Review, an dem mindestens zwei Autoren unserer Redaktion beteiligt waren.
Eine Rezension von Britta und Gastautor Ulf.
Ein Ex-Cop mit vielen Aufgaben
Matthew Scudder (Liam Neeson) arbeitet als Privatdetektiv ohne Lizenz, der dreckige Jobs in den ganz dreckigen Ecken New Yorks übernimmt. Auch wenn er es mit der Wahl seiner Auftraggeber nicht ganz so genau nimmt und sich für getane Leistung mit großzügigen Geschenken statt versteuerten Honoraren bezahlen lässt, sind dem ehemaligen Polizisten sein Gewissen und seine Moral durchaus wichtig. Matt Scudder weiß, wovon er spricht: Vor acht Jahren hatte er es sturzbesoffen mit drei Gangstern aufgenommen, die sein Lieblingspub ausnehmen wollten und dabei den Wirt erschossen hatten. Seine Verfolgung der Täter endete aber mit mehr als drei weiteren Leichen. Also gab Scudder seine Dienstmarke zurück und tauschte die Alkoholsucht gegen die Sucht ein, mindestens einmal am Tag – wenn nicht gar öfter – ein Treffen der Anonymen Alkoholiker zu besuchen. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1999, und zwischen den einzelnen AA-Meetings widmet Scudder sich seinem neuesten Fall, den er anfänglich gar nicht übernehmen will: Drogendealer Kenny Kristo (Dan Stevens) engagiert ihn, die Männer zu finden, die seine Frau Carrie entführt, trotz Lösegeldzahlung bestialisch ermordet und ihm in Einzelteilen zurückgeschickt haben. Die Ermittlungen führen Scudder in eine Bibliothek, in der ihm der obdachlose Teenager T.J. (Brian „Astro“ Bradley) bei der Onlinerecherche hilft. Dabei stoßen die beiden schnell auf die bittere Erkenntnis, dass die Entführer zuvor mindestens zwei weitere Frauen ermordet haben, so auch die Drogenfahnderin Marie Gotteskind. Scudder hat in der Folge eine ganze Reihe Probleme: Während er versucht, die abgrundtief abartigen Täter Ray (David Harbour) und Arthur (Adam David Thompson) dingfest zu machen, muss er sich der Drogenfahndung erwehren, die ebenfalls nach den Mördern sucht, und ganz nebenbei gilt es auch noch, den väterlichen Freund für den jungen T.J. zu geben.

Matt Scudder (Liam Neeson) freundet sich mit dem Obdachlosen TJ (Brian „Astro“ Bradley) an.
Ergebnis des Rudelguckens: das Double Feature
Ruhet in Frieden ist eine Romanverfilmung. Drehbuchautor und Regisseur Scott Frank hielt sich dabei recht nah an die Vorlage Endstation Friedhof von Lawrence Block. Das Buch stellt den zehnten Band der insgesamt 17-teiligen Matthew Scudder-Serie dar und wurde erstmals 1992 unter dem Titel A Walk Among the Tombstones veröffentlicht. Bereits 1986 kam es zu einer Scudder-Verfilmung: In 8 Millionen Wege zu sterben gab Jeff Bridges den trockenen New Yorker Ex-Cop. Die aktuelle Verfilmung kam nun in den Genuss, beim Redaktions-Rudelgucken begutachtet zu werden, vor allem aber von unserem Gastautor Ulf, dem Liam Neeson-Experten unter uns Fischpottlern.
Ulf, was hast du als Experte für Liam Neeson gedacht, als du von Ruhet in Frieden erstmals hörtest?
Ich dachte eigentlich, dass wir es bei Ruhet in Frieden mit einem typischen Liam Neeson Film zu tun haben. Ihr wisst schon, grummeliger Ex-Cop (oder Ex-Marine oder Ex-Detective oder Ex-Ex etc.) wird in die Enge getrieben, weil Frau entführt, Flugzeug in Not oder gar abgestürzt, Hund erschossen (ups, falscher Film…), und zeigt es den bösen Arschgeigen auf maximalst brutale Art. Als ich dann ein wenig darüber nachgedacht habe, kam ich zu dem Schluss, dass eigentlich nur die Taken-Reihe (96 Hours) in die Kategorie „typischer Liam Neeson Film“ passt und damit eigentlich genauso untypisch ist wie all die anderen Filme, die Mr. Neeson die letzten Jahre so gedreht hat. Sein Bryan Mills in eben jenen Taken-Filmen wird dabei nach dem recht guten Erstling immer mehr zu einer Parodie einer dieser perfekten Killermaschinen, mit denen man sich besser nicht anlegt. Eine Rolle, die auch Jason Statham hätte spielen können. Lustigerweise kommt demnächst ein weiterer Liam Neeson Film raus namens The Gunman vom Taken-Regisseur Pierre Morel mit Sean Penn als Liam Neeson. Aber ich schweife schon wieder ab…
Du hast den Film ja nun mit weiteren Fischpottlern gesehen. Gab es eine einhellige Meinung?
Also, Ruhet in Frieden hat zumindest schon mal drei Fischpottlern ganz gut gefallen. Die anwesende Cathy fand ihn gut aber ein wenig langweilig, Cheffe Fabian war positiv überrascht1 und ich fand den Film wirklich nicht schlecht. Eben weil er gar nicht so war, wie ich es erwartet habe.
Ist euch irgendwas besonders aufgefallen, sei es positiv oder negativ?
Der Look ist uns allen aufgefallen, ich fand es sehr stimmig und wirklich sehr 90er. Es wirkte teilweise eher wie eine TV-Produktion und hatte einen, sagen wir mal, Retro-Look. Umso mehr ich darüber aber nachdenke: Hatten Filme nicht früher, also vor den ganzen Michael-Bay-Farbfiltern, den ganzen leistbaren Digitalkameras und so weiter alle so einen Look beziehungsweise war das denn so unnormal? Was für einen Look hatten denn Filme wie City Cobra, Commando oder Red Heat? Wie gesagt, die Optik ist uns aufgefallen, bricht durchaus mit den Sehgewohnheiten, die man heutzutage so hat.
Siehst du Parallelen zu anderen großen Werken?
Die Story ist eher eine typische Detektiv-Geschichte, wo es weniger um eine überraschende Auflösung geht, sondern eher darum, mit dem Detektiv zusammen zu ermitteln und nach und nach hinter die Kulissen zu blicken. Ein wenig 8MM oder Pulp Fiction steckte da vom dargestellten Milieu sicher mit drin, die Gewalt wurde pointiert über den Film verteilt und ist, wenn sie denn vorkommt, heftig und knackig. Sogar die Action-Szene am Anfang wird im Film später sinnvoll erklärt.
In der Redaktionskonferenz hattest du angekündigt, der Film könnte gut geeignet sein für Vater-Sohn-Kinobesuche…
Ich habe mal in einem Forum gelesen, dass Liam Neeson als Action-Star trotz seines Alters bei Jung und Alt gleichermaßen beliebt ist. Nicht weil seine Filme alle ein sehr hohes Niveau haben oder weil Liam jetzt besonders hip und attraktiv ist. Nein, vielmehr weil er ein bisschen die 80er Jahre wiederbelebt und dabei glaubhaft rüberkommt. Und wer damals mit Arnold, Silvester oder Chuck aufgewachsen ist und jetzt selbst Kinder im Alter von 14-18 hat, kann mit diesen endlich wieder kernige Action schauen und sich dabei selbst wieder jung fühlen.
Braucht es wirklich Chuck, um Liam zu lieben?
In der Tat kann ich meinem Kollegen zustimmen: Liam Neeson zieht. Nicht nur bei Jungs und Männern. Auch Frauen und Mädchen können sich durchaus für seine vorgetragene Art der Männlichkeit begeistern. Macht das Ruhet in Frieden auch zu einem heißen Tip für einen Mutter-Tochter-Kinoabend? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich sitzen Mutter und Tochter doch eher eines Abends auf dem Sofa vor der DVD und begeistern sich eher inoffiziell – sofern sie eine Ader für dieses Temperament haben – für das stoische Auftreten dieses einsamen Wolfes. Als »Cool!« bezeichnen sie ihn und klatschen freudig in die Hände, wenn Liam alias Matthew seinem bewaffneten Gegenüber mit ruhiger Stimme, absolut glaubhaft und ohne mit der Wimper zu zucken erklärt: »Ich nehme Ihnen das Messer weg und stecke es Ihnen in den Hals«. Doch, es gibt Frauen, die das anspricht. Wiederum eine Untergruppe fühlt sich gleich umso mehr angesprochen, wenn Mr. Neeson wie hier durch einen relativ langsam erzählten Film läuft und dabei eine schwere Aura der Traurigkeit und Depression mit sich trägt. Angewidert von den so schrecklich überzeugend gespielten Soziopathen Ray und Arthur, wünschten wir uns einen Liam Neeson-artigen Mattew Scudder an unserer Seite, sollten wir jemals herausfinden, dass auch wir solche vermeintlich normalen, unscheinbaren Nachbarn haben, deren Hobby es ist, Frauen erst zu schänden und dann in Einzelteile zu zerlegen. Dezent schauen wir dann in Richtung unserer Ehemänner, Lebensgefährten, Väter oder Freunde, zucken unmerklich mit den Schultern und seufzen innerlich: Achja, er hat ja auch so seine Qualitäten…

Scudder (Liam Neeson) kann sich nie sicher sein, wem er trauen kann.
Will sagen: Wer Helden auch ohne das mittlerweile so unvermeidliche Präfix Super schätzt, Action nicht zwangsläufig in Highspeed braucht und Figuren umso überzeugender erlebt, wenn sie gebrochen und vielschichtig gezeichnet sind, sei Ruhet in Frieden – völlig unabhängig vom eigenen Geschlecht – sehr wohl empfohlen.
Fischpott Disclaimer: Wir haben von Universum Film eine DVD zur Rezension erhalten und den Film sowohl im Original mit englischen Untertiteln als auch in der deutschen Version gesehen.
- Kurzer Einschub vom Cheffe: Ja, gefallen schon. Nur: Die Optik des Films hat mich durchgängig irritiert. Sehr oft habe ich mich beim Grübeln ertappt, ob das ein TV-Look ist oder ein neues digitales Aufnahmeverfahren oder ob der Fernseher falsch eingestellt war. Ich weiß es bis heute nicht. Sehr schön fand ich aber die souverän abgearbeiteten Noir-Krimi-Elemente: Einsamer Held (check) ist trockener Alkoholiker (check) mit trockenen Sprüchen (check) und steht zwischen Gesetz und Unterwelt (check). Er muss einiges einstecken (check), steht aber immer wieder auf (check) und ist im Grunde ein guter Mann (check). Das in einer verkommenen Welt (check), in der Drogengangster das kleinere Übel sind (check). Natürlich erwähnt der neunmalkluge Jugendliche Spade und Marlow. ↩
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