The Living Dead
George A. Romero, der Herr der Zombies, hat uns schon 2017 verlassen. Aber sein letztes Werk liegt seit 2021 in den Bücherläden: The Living Dead ist so etwas wie das Vermächtnis des Regie-Altmeisters.
Wobei genau genommen ein Mann namens Daniel Kraus der Autor ist. In akribischer Kleinarbeit hat der Drehbuchautor (unter anderem The Shape of Water) Romanfragmente von Romero gesammelt sowie die Zombiefilme des Altmeisters neu gesichtet und in ihrer Chronologie re-interpretiert. Insofern liegt mit The Living Dead kein Original-Romero vor, aber immerhin etwas, was sehr nahe dran ist.
Liegenbleiben, Leiche!
Der 900-Seiten-Wälzer beginnt wie so viele Zombie-Szenarios: Die Toten wollen auf einmal nicht mehr liegenbleiben. Stattdessen erheben sie sich und machen Jagd auf die Lebenden. Das Lesepublikum wird Zeuge von gleich mehreren Szenen. Einer Überraschung bei einer Leichenschau, einer Flucht aus einem Trailerpark, Chaos auf einem Flugzeugträger und hektische Arbeit in einer Nachrichtenredaktion. In klassischer Genre-Tradition sind die menschlichen Überlebenden interessanter als die bissigen Untoten. Der oberflächliche News-Anchor, die autistische Archivarin, der sündige Feldkaplan, der hispanische Gerichtsmediziner, die Teenagerin aus einer in Armut lebenden Familie … die Liste ist lang.
Kraus schafft es, Horror-Spannung mit Inneneinsichten seiner Charaktere zu vermischen und zeichnet so ein Abbild der US-amerikanischen Gesellschaft. Auch das steht in klassischer Romero-Tradition, der mit dem Ende seines Erstlingswerkes Night of the Living Dead fast schon versehentlich den Rassissmus der 1960er Jahre kritisiert. Denn die Besetzung des Charakters Ben mit dem Schwarzen Duane Jones hatte sich erst beim Casting ergeben.
Nach der Zombiekalypse …
Die Anfangsszenen des Ausbruchs und der beginnenden Auflösung der Gesellschaft bilden nur die Ouvertüre von Kraus’ Buch. The Living Dead geht weit darüber hinaus. Nachdem wir anfangs mehrere Kapitel am Stück an einem Ort verweilen, wechselt Kraus in Phase Zwei immer wieder die Perspektive. Das sorgt natürlich für einen Pageturner-Effekt, liest sich aber auch unerhört spannend und mitunter emotional berührend. Etwa wenn eine beginnende Liebe aufgrund eines Zombiebisses in wenigen Tagen ausgelebt werden muss, mit allen Erinnerungen und Emotionen einer langjährigen Partnerschaft. Aber auch Phase Zwei der Zombiekalypse geht vorbei und eine Art von Alltag kehrt ein.
The Living Dead: Gesamteindruck
In den folgenden Jahren nach dem Zusammenbruch der Zivilisation bleibt Kraus dem Vorbild Romeros treu. Wir lesen von Gräueltaten, von Gewaltherrschaft und von einem mutierenden Zombie-Erreger. Auch wenn wir nicht wissen, was die Zombies belebt wird dieses etwas virulenter. Man merkt The Living Dead deutlich die Entstehungszeit in den Trump-Jahren an. Vieles erinnert an die ultrareaktionäre faschistoid-religöse US-amerikanische Rechte. Etwa wenn verstrahlte Fanatiker Hawaii-Hemden zur Tracht wählen oder Lynchmorde im Schein von Tiki-Fackeln ausgetragen werden. Gegen Ende weckt der Autor noch unsere Hoffnung … aber auch das wird sich als Trugschluss erweisen. Ein Happpy End gibt es hier nicht wirklich. Ganz im Romero-Style. Ein würdiges, lesenswertes Buch ganz im Sinne des alten Zombie-Meisters.