Valerian und Veronique
Eine starke Frau aus dem Mittelalter und ein Gutmensch aus der Zukunft – gemeinsam bekämpfen Valerian und Veronique seit 50 Jahren das Verbrechen in der Galaxie. Ein kurzer Rückblick auf die Anfänge der legendären Comicreihe.
Am 20. Juli 2017 startet Valerian und die Stadt der 1000 Planeten in den Kinos. Seit fast 20 Jahren hat Luc Besson daran gearbeitet, endlich die Comics von Jean-Claude Mézières und Pierre Christin zu verfilmen. Wer sich an Bessons Das Fünfte Element erinnert, weiß, was von der Comicverfilmung zu erwarten ist: Bizarre, aber zugleich liebenswerte Aliens. Gigantische, spacige Stadtlandschaften. Geschickt kombinierte futuristische und archaische Elemente. Denn Mézières und Christin haben damals ihren Fan Besson beraten und so dem Fünften Element ihren Stil-Stempel aufgedrückt. Überhaupt hatten die Zukunftsvisionen der beiden Franzosen einen großen Einfluss auf das Science-Fiction-Kino. So sieht man deutlich, dass sich George Lucas bei Star Wars von visuellen Elementen aus Valerian und Veronique hat inspirieren lassen. Aber da Lucas auch nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er seine Inspirationen unter anderem aus Flash Gordon, Weltkriegsdokus und japanischen Kinofilmen geholt hat, gibt es keinen Grund zum Plagiats-Aufschrei. Nur ein „Merci“ von Lucas wäre schön gewesen, so Christin im Welt-Interview.
Nicht nur visuell waren die Comics um Valerian und Veronique, die im Original Laureline heißt, revolutionär. Die beiden Hauptfiguren sind mehr als ein tapferer Heroe und sein Love Interest. Valerian ist zwar ein durchaus tatkräftiger Held, aber gleichzeitig hört er auf die Anweisungen seiner Vorgesetzten im bürokratisch durchreglementierten Raum-Zeit-Service von Galaxity. Manchmal ist er sogar ein richtiger Schluffi, etwa wenn Veroniques besser funktionierender moralischer Kompass das Duo vom Dienstweg der Raum-Zeitbehörde abbringt. Valerian gibt dann kleinlaut zu, dass Dienst nach Vorschrift keine Option ist. Dabei ist auch Valerian ein guter Mensch und Galaxity eher eine intergalaktische EU als ein Imperium, aber als moralisches Korrektiv ist Veronique manchmal stärker als ihr Partner. Und sie ist eine gleichberechtigte Partnerin; auch wenn sie als emotional und sexy charakterisiert wird, ist sie weder schmückendes Beiwerk noch Klischee-Weibchen. Obwohl sie aus dem Mittelalter stammt (dazu später mehr) ist sie kein bisschen naiv und versteht jede Menge von der Technik des 28. Jahrhunderts.
Werfen wir einen Blick auf die ersten drei Abenteuer von Valerian und Veronique. Der Carlsen-Verlag hat vor einigen Jahren die Gesamtausgabe der Reihe veröffentlicht und uns freundlicherweise ein Belegexemplar des ersten Bandes mit diesen drei Geschichten zur Verfügung gestellt.
Schlechte Träume
1967 begann alles mit Band Eins, Schlechte Träume. Valerian wird auf Solo-Mission aus dem utopischen Galaxity in das europäische Mittelalter geschickt. Der abtrünnige Traumaufseher Kombul ist in das Jahr 1000 gereist. Dort hat er den Zauberer Alberich aufgesucht, der Menschen in Monster verwandeln kann. Mit Alberichs Zauberformeln will Kombul die passiven und traumsüchtigen Menschen von Galaxity aufrütteln, um selbst die Macht zu ergreifen. Auf der Reise zu Alberichs Festung durch einen verwunschenen Wald gerät Valerian in eine bizarre pflanzliche Falle, aus der ihn die Waldläuferin Veronique prompt rettet. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zu Alberichs Burg und besiegen Kombul. Zwischenzeitlich wird Veronique in ein Einhorn verwandelt, erfährt durch Gedankenlesen, dass Valerian ein Raum-Zeit-Agent ist und erinnert ihn daran, dass er sie – streng nach Vorschrift – mit in die Zukunft nehmen muss. Also lernt sie im automatischen Schnellkurs unter der Gedankenhaube alles über das 28. Jahrhundert und wird in der nächsten Geschichte als Raum-Zeit-Agentin gemeinsam mit Valerian aktiv.
Bei Band Eins ist tatsächlich noch Luft nach oben. Der Stil der Zeichnungen ist gerade bei den Charakteren noch unausgereift. Valerians Gesicht ist in manchen Panels eher eine Karikatur mit übermäßig ausgeprägter Kinnpartie, während Veronique oft zu puppenhaft glatt wirkt. Dabei ist die Szenerie durchaus schön gestaltet und einige Panels zeigen schon das große Talent von Mézières. In Christins Story erinnert die Kombination von Science Fiction mit Fantasy eher an Funny-Reihen wie Spirou oder an Carl Barks-Geschichten als an einen zwar bunten, mitunter psychedelischen, aber im Grunde ernsthaften Sci-Fi-Comic. Aber auch im späteren Verlauf der Reihe werden immer wieder Elemente wie Götter oder Seelenwanderung vorkommen, die eher Mythen und Legenden als einem harten, wissenschaftlichen Science Fiction entsprungen sind.
Die Stadt der tosenden Wasser
Umso realistischer ist dagegen der zweite Band von 1968, der in der deutschen Reihe als erster Teil veröffentlicht wurde.1 Kombul, der Bösewicht aus dem ersten Abenteuer, ist entkommen. Diesmal hat es ihn in das Jahr 1986 verschlagen. In dieser ersten Kontinuität des Valerian und Veronique-Universums2 ist es das Jahr der großen Katastrophe. Eine Wasserstoffbombenexplosion am Nordpol lässt die Arktis schmelzen, Großstädte versinken und die Erdachse kippen. Die Zivilisation bricht zusammen. Valerian bricht sofort auf und landet im halb versunkenen New York.3 Dort wird er von einer Plündererbande unter der Führung von Lester, angelehnt an den Musiker Sun Ra, gefangengenommen. Valerian entkommt und wird auf der Flucht von Veronique gerettet, die über einen anderen Zeitreisestützpunkt nachgekommen ist. Gemeinsam mit dem Gangsterboss Lester schlagen sie sich durch die von Erdbeben und Vulkanausbrüchen geplagten USA. Schließlich finden sie Kombul, der gemeinsam mit dem verschrobenen Wissenschaftler Schroeder, angelehnt an Jerry Lewis’ Rolle in Der verrückte Professor an einer bahnbrechenden Erfindung arbeitet.
In Die Stadt der tosenden Wasser hat die Reihe um Valerian und Veronique ihre Form gefunden. Frei von albern wirkenden magischen Elementen beweist der Band trotzdem Humor und bringt eine erwachsene Thematik mit. Die drohende atomare Katastrophe trifft den Zeitgeist, kommt doch im gleichen Jahr die postatomare Welt des Planeten der Affen in die Kinos. Vielleicht ist die Erzählung ein bisschen langatmig, trotzdem haben sich Christin und Mézières seit dem ersten Band schon weiterentwickelt. Das „Problem“ der nicht eintretenden Atom-Apokalypse im Jahr 1986 greifen die beiden Autoren dann 1985 im Band 11, Die Blitze von Hypsis, sehr geschickt auf.
Im Reich der tausend Planeten
Im Reich der Tausend Planeten erweist sich als ein Wendepunkt für Valerian und Veronique. Ähnlich wie bei der britischen Serie Doctor Who verlagert sich der thematische Schwerpunkt von mehr oder weniger seriösen Zeitreisen hin zu Alien-Abenteuern im All. Denn ihre dritte Reise führt das dynamische Duo in eine weit entfernte Galaxie.4 Das Reich der tausend Planeten von Syrtis ist eine mehrere Planeten umfassende Monarchie kurz vor dem Zusammenbruch. Die wahre Macht hinter dem Thron sind die sogenannten Kundigen, die ihre Gestalten unter weiten Roben und schweren Helmen verbergen. Veronique und Valerian haben von Galaxity den Auftrag bekommen, das Reich auf mögliche Gefahren für die Erde zu untersuchen. Hier werden sie in eine Revolte und eine Verschwörung hineingezogen.
Band Drei von 1971 hat den Kurs von Valerian und Veronique für die nächsten Jahrzehnte festgelegt: Optisch Space Opera, aber eine Story mit Anspruch. Fantastische Alien-Kreaturen wie die Wasserschlange Macryam oder der Spiglis Telepathics von Bluxte sind nur die ersten Exemplare eines faszinierenden Bestiariums der Sterne, das sich in den folgenden Bänden entfaltet. Die Dynamik zwischen Valerian und Veronique stimmt einfach und die beiden stürzen die Diktatur nicht Superhelden-like im Alleingang, sondern nur mit Hilfe der ohnehin schon bereitstehenden Rebellen.
Bis zur Unendlichkeit …
Die ersten drei Geschichten von Valerian und Veronique zeigen den etwas holprigen Anfang der revolutionären Reihe, lange vor ihrem Höhepunkt und dem langen Abstieg. Mit Das Reich der tausend Planeten steht die Grundidee der Serie, die meistens aus Undercover-Einsätzen auf fremden Planeten mit bizarren Sitten besteht, immer auf der Seite der Schwachen und Unterdrückten. Ob der Kinofilm dem Ruf der Serie gerecht wird, muss sich noch zeigen. Vielleicht bringt Luc Besson einfach nur eine visuell großartige Liebeserklärung an Valerian und Veronique auf die Leinwand, vielleicht schafft er es aber auch, die humanistische Botschaft der Serie zu transportieren. Aber egal, ob uns da ein Kino-Flop oder ein Meisterwerk erwartet: Wer Science Fiction mag und Comics liest, kommt um Valerian und Veronique nicht herum.