Byzantium
Die Untoten sind überall. Geister, Zombies und andere Wiedergänger spuken, stöhnen und schlurfen durch Serien, Filme, Bücher. Nur Vampire sind scheinbar ausgestorben, in der Variante glitzernder Mädchenschwärme sind sie an Lächerlichkeit eingegangen. Aber wie wir spätestens seit der Geschichte um den Grafen aus Transsylvanien wissen, kommen diese Totgesagten immer wieder.
Tarnung ist alles
In Stephen Kings neuestem Roman »Doctor Sleep« tarnen sich lebenssaugende Unsterbliche als harmlose Rentner, die mit Wohnmobilen Amerikas Highways hoch und runter fahren. In »Byzantium« von Regisseur Neil Jordan und Drehbuchautorin Moira Buffini bemühen sich die beiden Unsterblichen Eleanor und Clara ebenfalls um ein unauffälliges Leben. Auf der Flucht vor bedrohlichen Anzugträgern landen die beiden alterslosen Blutsaugerinnen in einer kleinen englischen Küstenstadt.
Für Eleanor (Saoirse Ronan), augenscheinlich ein Teenager, ist das Bluttrinken aktive Sterbehilfe. Ihre meist alten und kranken Opfer sehnen den Tod herbei. Weniger zimperlich ist die ältere Clara (Gemma Arterton). Ob sie Feinde mit einer Garotte regelrecht guillotiniert, Zuhälter aussaugt oder ein eigenes Bordell zur Geldbeschaffung eröffnet, Skrupel scheint sie nicht zu kennen. Nach und nach erfährt der Zuschauer die Geschichte der beiden Frauen, ihre Verbindung und die Identität ihrer Verfolger, während sich ein Junge namens Frank immer mehr zu Eleanor hingezogen fühlt.
Familienporträt mit Blutspritzern
Das Kino hat den Vampirmythos immer wieder neu erfunden. Aus rumänischen Grafen wurden ägyptische Priesterinnen und amerikanische Rocker. Die bleichen Gestalten mit langen Zähnen kamen zurück als Fledermausmonster und ausgetrocknete Leichen, als Sexbomben, Unsichtbare und unschuldige Kinder. Byzantiums Vampire müssen Sonnenlicht nicht fürchten, sind aber der Sucht nach Blut verfallen. Ihre Opfer töten sie nicht mit Reißzähnen, sondern mit einer ausfahrbareren Daumenkralle. Der Film ist aber keine Horror-Monster-Show, sondern mehr eine Charakterstudie und Familiengeschichte sowie eine Story über Frauen in Männergesellschaften. Jordan, der schon vor 20 Jahren »Interview mit einem Vampir« auf die Leinwand gebracht hat, inszeniert Buffinis Story mitreißend, selbst eine unglaubwürdige Wendung am Ende stört nicht weiter. »Byzantium« zeigt, dass der Vampirfilm auch heute mehr bietet als Teenie-Geschmachte und Splatter-Action.
Disclaimer: Fischpott hat von der S&L Medianetworx GmbH ein Rezensionsexemplar der DVD erhalten.