Freies Land
Auf dem Cover der Blu-Ray zu Freies Land posen die Ermittler Patrick Stein (Trystan Pütter) und Markus Bach (Felix Kramer) in bester True Detective Manier mit Knarre und (teilweise) Sonnenbrille. Im Hintergrund hohe Gräser und Pfützen. Wir befinden uns an der deutsch-polnischen Grenze des Jahres 1992 im Neißegebiet. Stein wird aus Rostock in das abgelegene Dorf Löwitz beordert, um zusammen mit Bach das Schicksal zweier verschwundener Mädchen aufzuklären. Wie so viele Menschen in der Gegend träumen diese von einer besseren Zukunft im Westen, vielleicht sogar im nahen und doch irgendwie fernen Berlin. Jobs an der polnischen Grenze sind rar, der einzige größere Betrieb wurde gerade von einem schwäbischen Investor übernommen und der jährliche Jahrmarkt ist das einzige Highlight in der Gegend.
Kein Cop wie der andere
Stein hat am Anfang keinen ebensolchen bei Bach im B(r)ett. Da das einzige Hotel das reservierte Zimmer leider schon vergeben hatte, muss er sich das Zimmer mit seinem Kollegen teilen. Dieser versteht die Situation leider ein wenig falsch und nimmt den Rostocker Kollegen erstmal in einen Würgegriff. Auch danach bricht keiner so schnell das Eis, auch wenn Bach es immer wieder versucht. Stein kommt nämlich ursprünglich aus dem Westen und hat somit diverse Vorurteile gegenüber den Kollegen aus Meckpomm. Ihr wisst schon, der alte Filz ist immer noch da, alle korrupt, Stasi und an nicht ganz so legale Methoden gewöhnt. Überhaupt die Leute in Freies Land, die sind genauso hoffnungslos und abgewrackt wie die Orte. Nur Katharina Kraft (Nora Waldstätten) passt hier nicht so richtig ins Bild, sie wirkt trotz der Sorge um die ihre Töchter unnahbar und fremd.
Früher gab es hier keinen Mord
Jedenfalls sagt Bach das. In der DDR wurden derartige Verbrechen gerne ignoriert, da Mord eher eine kapitalistische Erfindung ist. Im sozialistischen Dreamland darf so etwas nicht sein. Eine ähnliche Thematik wird auch im (sehr guten) Child 44 angesprochen. Umso erschreckender ist dann die Tatsache, dass nach dem Fund der gefolterten und missbrauchten Leichen der beiden Verschwundenen herauskommt, dass in der Gegend wohl schon öfter junge Mädchen vermisst wurden. Einmal hat man sogar einen abgetrennten Fuß und den Koffer einer Vermissten gefunden.
Aber das passiert halt, wenn man ertrinkt und in eine Schiffsschraube gerät. Schnell erkennen die beiden Ermittler, dass sich die Vermisstenfälle seit 1989 gehäuft haben. Und immer wieder träumten die Mädchen in Freies Land von einer besseren Zukunft weit weg von der Tristesse der gar nicht so nicen Neiße. Zeugen wollen einen VW Golf 2 gesehen haben, an verschiedenen Orten finden die Ermittler Prospekte eines bestimmten Hotels in Berlin. Und was haben die anrüchigen Fotos zweier Opfer und ein altes Jagdhaus mit der Sache zu tun?
Freies Land – triste Landschaft
Neben dem gelungenen Porträt der Menschen in der Nachwendezeit in einer hoffnungslos wirkenden Gegend ist es die Landschaft, die Freies Land wirklich beeindruckend in Szene setzt. Regisseur Christian Alvart (hier mal ein sehr interessantes Inverview zu Freies Land) hat auch noch das am Drehbuch mitgeschrieben und sich als Kameramann betätigt. All dies wäre aber nur die halbe Miete, wenn es nicht die vielen absoult genialen Luftaufnahmen von Taras Miskiv geben würde. Diese setzen die ganzen Aspekte der Gegend in spröden, tristen und farbarmen Bildern absolut passend in Szene.
Einige der Aufnahmen erinnern dabei an die Eingangssequenz von Die Purpurnen Flüsse. Es gibt Ruinen, den Neißedamm, ein Klärwerk, Fabrikanlagen und immer wieder Seen, Sträucher und Straßen von oben zu sehen. Der ganze Look von Freies Land ist dabei wirklich sehr stimmungsvoll. In einigen wenigen Szenen gibt es auch eine gimbalunterstützte Handkamera, welche das mittendrin-Gefühl durchaus noch verstärkt. Auch der wummernde Sound, der in den intensivsten Momenten zum Einsatz kommt ist sehr gelungen. Technisch ist Freies Land auf jeden Fall gelungen und bietet sehr viele Schauwerte.
Freies Land – Fazit
Komme ich mal zum Ende-Gelände. Freies Land ist ein wirklich guter Thriller, wie man ihn sonst eher aus Skandinavien erwartet. Die beiden Ermittler haben jeweils eigene Probleme (da pisst man auch mal Blut mit dem Urin heraus oder prügelt sich), Steins Frau ist nebenbei hochschwanger (und nur am Telefon präsent) und der Star sind hier eindeutig Landschaft und Leute. Die Kriminalhandlung kommt zwar auch sehr schnell in Fahrt und löst sich auch schlüssig auf, ist aber nicht im Fokus von Freies Land. Das war aber beim bereits genannten True Detective auch nicht anders. Die Bild- und Tonqualität der Blu-Ray ist sehr gut, an ein paar Stellen kamen mir die Dialoge aber nachsynchronisiert vor. Die Schauspieler haben mich auch allesamt überzeugt, keiner wirkte überzogen oder hölzern. Ich empfehle Freies Land einfach mal weiter, einer der besten ernsten deutschen Filme der letzten Jahre.
Fischpott-Disclaimer: Wir haben ein Rezensionsexemplar der Blu-ray erhalten.
Hat mir sehr gut gefallen,