Nurse – eine ziemlich kranke Schwester
Krankenhäuser sind, ähnlich wie Zahnarztpraxen oder katholische Jugendlager ein eher notwendiges, wenn auch in vielen Fällen unvermeidliches Übel. So verwundert es nicht besonders, dass sie im Horrorgenre immer wieder eine mehr oder weniger große Rolle einnehmen. Der Horrorfilm The Dead Pit spielt nahezu komplett in einer Nervenheilanstalt, auch das Finale von Halloween 2 findet in einem Hospital statt. Krankenhäuser und vor allem Krankenschwestern gehören in der Videospielreihe Silent Hill ebenso zum Standardrepertoire wie beim jährlichen Halloween-Event im Movie Park Germany in Form eines Gruselhauses mit dem eindeutigen Namen Deathpital.
So spielt auch Nurse – eine ziemlich kranke Schwester, wie der Titel mehr als nur andeutet, in einer Einrichtung zur Betreuung und Pflege von kranken Menschen. Die titelgebende Schwester heißt hier Abby (Paz de la Huerta) und ihre Motivation, dort zu arbeiten ist nicht besonders hippokratesgefällig. Dabei dreht sich die Handlung in erster Linie um ihre Kollegin Danni (Katrina Bowden, mir positiv in Tucker & Dale vs. Evil aufgefallen), die sich mit Abby anfreundet. Dabei findet sie recht schnell heraus, was passiert, wenn man sich dieser Freundschaft nicht mit dem nötigen Ehrgeiz widmet. Abby hat nämlich ein paar wirklich blöde Angewohnheiten. Zum einem bringt sie gerne Männer um, vor allem solche, die ihrer Meinung nach keine guten Ehemänner sind, ihre Frau betrügen oder in schummrigen Nacktbars rumhängen. Außerdem kann sie nicht besonders gut mit Zurückweisungen umgehen und zieht dann eine ziemlich miese Nummer mit ihren vermeintlichen Freunden ab. Und zu guter Letzt hält sie im privaten Bereich von Kleidung nicht viel. Vor allem wenn die Kleidung die untere Hälfte ihres Körpers bedecken soll.
Geschaut haben wir den Film im englischen Originalton.
Mehr Handlung braucht ein Horrorfilm dann auch eigentlich nicht. Die meisten Filme aus der groben Splatter-/Slasher-/Exploitation-/Zombie-/Horrorthrillerecke (gern auch um den Vorsatz „Fun-“ erweitert), die ich mehr als nur ganz gut finde, haben keine ausgefeilte Handlung. Egal ob das jetzt The Midnight-Meat-Train, The Texas Chainsaw-Massacre, Friday the 13th, Hostel oder Martyrs sind, das Hirn braucht für solche Filme eigentlich nur gerade so auf Betriebstemperatur zu sein. Und Nurse ist da keine Ausnahme. Technisch macht der Film eine ganz gute Figur, die Farbgebung ist sehr stimmig, alles wirkt altmodisch mit überstrahlten Pastelltönen in grün und rot, einem relativ klinischem (no pun intended) Look. Nicht digital, sondern eher inspiriert von Filmen wie Suspiria oder Tenebre (beide vom damals noch großartigen Dario Argento). Die Kamera fängt das Geschehen auch auf abwechslungsreiche Art ein und die gegen Ende immer häufiger werdenden Splattereffekte wirken teilweise schön handgemacht, verleugnen allerdings auch teilweise nicht ihre digitale Herkunft. Die Mischung ist ausgewogen und die Musikstücke in einzelnen Szenen sind auch recht gut.
Abby erzählt dabei immer wieder aus dem Off etwas über ihr Leben oder ihre Motivation. Ich mag es, wenn in einem Film der Zuschauer aus dem Off angesprochen wird. Ob man den Film dann direkt (wie auf dem Backcover impliziert) mit American Psycho (den Film mit Christian Bale, sicher nicht den Kultroman von Bret Easton Ellis) vergleichen kann würde ich nicht so unterschreiben und auch der ebenfalls getätigte Vergleich mit Secretary dürfte mehr humpeln als hinken.
Das Ende kommt dann allerdings auch sehr abrupt und unerwartet und da ich von Anfang an auf einen Plottwist gehofft habe – der dann aber nicht kam – fühlte ich mich nicht so hunderprozentig befriedigt. Bei einem Horrorfilmabend kann man Nurse gut als Starter einlegen, als Hauptgericht oder Dessert taugt der Film nur bedingt. Ich erinnere mich noch, wie ich den Film Suicide Circle von Shion Sono (kennt ihr nicht? Anschauen! So wie jedes andere Werk von diesem Ausnahmeregisseur. Am besten im japanischen O-Ton) geschaut habe und den Film als sehr interessant und auch gut empfunden habe. Nur die Handlung und vor allem das Ende haben nicht viel Sinn gemacht. Ein wenig Recherche später habe ich dann rausgefunden: Die Macher haben beim Drehen gemerkt, dass vieles keinen Sinn macht und einfach drauf geschissen. Und eine gewisse Auflage der deutschen DVD lässt quasi als Bonus durch einen Masteringfehler ein ganzes Kapitel vermissen. Was einem aber nicht auffällt, da der Film jetzt nicht gerade eine nahtlose Handlung hat. Bei Nurse hingegen habe ich die ganze Zeit das Gefühl, dass da mehr geplant war und aus Zeit- oder Budgetgründen nicht umgesetzt werden konnte.
Ein paar Worte noch zur Hauptdarstellerin Paz De La Huerta. Diese wird vielerorts als eine der aufregendsten Schauspielerinnen Hollywoods gehandelt und das vor allem wegen ihrer Natürlichkeit (es gibt z.B. sehr gelungene Playboy Fotos von ihr aus dem Jahr 2013). In Nurse ist mir von all dem nicht viel aufgefallen, sie agiert sehr mechanisch und hat eine sehr interessante, irgendwie künstliche Art sich zu bewegen und zu reden drauf und wirkt meiner Meinung nach extrem „uncanny“ in diesem Film. Die Bezeichnung „Uncanny Valley“ verwendet man immer, wenn in einem Film computergenerierte Personen auftauchen und möglichst real wirken sollen – nur um es dann gerade so eben nicht zu sein. Es stimmt irgendwas nicht, man kann nicht genau sagen was, vielleicht eine etwas zu hohe Nase, eine zu perfekte Haut, ein Weichzeichner zu viel oder leblose Augen. Genau das trifft auch auf die Rolle der Abby in Nurse zu. Und im Gegensatz zu dem fast schon legendären Gemälde The hands that resist him von Bill Stoneham bin ich mir hier nicht so wirklich sicher, ob den Machern des Filmes das wirklich so bewusst war. Trotzdem, gerade die eher unnatürliche Performance von Paz De La Huerta macht Nurse dann ja doch zu etwas besonderem.
Da bald Halloween ist noch ein paar eingestreute Tipps für die Halloween-Zeit:
- Monster Madness auf Cinemassacre gucken.
- Ins Fort Fun zum großartigen Fort Fear gehen.
- Nochmal Evil Dead 2 auf DVD gucken
- Annabelle im Kino oder The Conjuring daheim schauen
- The Evil Within (diverse Konsolen und PC) von Shinji Mikami kaufen und zocken
- demnächst hier eine weitere Horror-Kritik lesen
Nurse wurde uns freundlicherweise von Universum Film zur Verfügung gestellt. Neben vorliegender DVD gibt es auch noch eine BluRay sowie eine BluRay mit 3D-Funktion. Neben deutschem Ton gibt es auch noch den englischen Originalton und (leider nur) deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Der Ton liegt jeweils in Dolby Digital 5.1 vor, der Film dauert ca. 84 Minuten und die deutschen Veröffentlichungen sind ungeschnitten und von der FSK ab 18 Jahren freigegeben.
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