Persepolis
Stell dir eine Kindheit in den Achtzigern vor. Und stell dir gleichzeitig vor, dass Alkohol, Michael-Jackson-Kassetten und Punkmusik illegal sind, dass Religionspolizisten dich wegen „unangemessener“ Kleidung mitnehmen können und das nach einer Revolution, bei der ein menschenverachtendes System das andere abgelöst hat, ein verheerender Krieg mit dem Nachbarland tobt.
So beschreibt die Comiczeichnerin Marjane Satrapi im autobiographischen Comic Persepolis ihr Leben im Iran der 70er und 80er. Jetzt ist der Animationsfilm von 2007, ebenfalls Persepolis betitelt, neu auf DVD erschienen. Was nach einem bedrückenden und sehr düsterem Film klingt, ist trotzdem humorvoll und lebensfroh. In poetischen Schwarz-Weiß-Bildern verfolgen wir die Geschichte der Hauptfigur Marjane und ihres Landes. Wir erleben die Vertreibung des Schahs und die Veränderungen in der islamischen Republik. Von Kopftuchpflicht für Frauen, heimlichen Partys und dem ersten Golfkrieg mit dem Irak, bei dem Kindersoldaten als „Märtyrer“ in Minenfelder geschickt werden.
Im Film schildert Satrapi in eigener Regie zusammen mit ihrem Comiczeichnerkollegen Vincent „Winshluss“ Paronnaud wie ihr Alter Ego Marji und ihre Familie versuchen, unter dem Regime zu überleben. Das Mädchen besorgt sich Iron Maiden-Tapes auf dem Schwarzmarkt und widerspricht der Religionslehrerin. Aus Sorge um ihre Tochter schicken die Eltern sie schließlich ins Ausland, nach Österreich. Hier findet sie Freunde, wird aber auch rassistisch angefeindet und erlebt die Wiener Untergrundkultur. Nach einem Zusammenbruch kehrt sie zurück in den Iran, studiert und kämpft gegen ihre Depression.
Der Zeichenstil von Persepolis wirkt zunächst einfach, trägt aber viel zur Stimmung bei und ermöglicht vielleicht sogar eine tiefgreifendere Identifikation mit den Figuren, als es in einer Realverfilmung möglich wäre. Die Geschichte erzählt vom Heranwachsen in einem unterdrückerischen Regime ohne die Unterdrücker zu dämonisieren oder plakativ Leid zu inszenieren. Kurzum, ein hervorragender Film, der eine ebensolche DVD-Umsetzung verlangt.
Die ist aber eher in der Kategorie „geht so“ einzuordnen. Bild- und Tonqualität sind super, das Bonusmaterial könnte aber mehr sein. Käuferinnen und Käufer kriegen für ihre knapp 13 Euro ein paar entfallene Szenen, kommentiert von Satrapi, ein Making Of und ein kurzes Interview mit der Künstlerin. Tonspuren auf deutsch und französisch sind dabei, einen Directors Commentary sucht man vergebens. Die Untertitel sind nicht für Gehörlose geeignet und unterscheiden sich grundlegend von der Tonspur. Man hört „Idiot“ und liest „Schwein“, oder statt „Justiz“ steht da „Gerechtigkeit“ und einmal heißt es: „Ich überließ meinen Onkel seinem Schicksal.“ vs. „Mein Onkel stellte sich dem Schicksal alleine.“ Was denn nun?
Persepolis ist definitiv eine Pflichtvidüre. Die neue DVD-Umsetzung ist fürs einmalige Sehen ausreichend.
Disclaimer: Fischpott hat ein Rezensionsexemplar der DVD von der Universum Film GmbH erhalten.