Plötzlich wieder jung
Zurück in die 80er
Männer in der Midlife-Crisis reisen in ihre eigene Vergangenheit zurück. Das Fischpott-Team hat sich zum Rudelgucken getroffen und mit dem Film Plötzlich wieder jung – Zurück in die 80er (Originaltitel Bis) eine Voyage dans le temps unternommen.
Patrice (Kad Merad, sprich: Pattrieß) und Eric (Franck Dubosc, sprich: Eriek) sind bereits seit früher Schulzeit in den 1980ern miteinander befreundet und daran hat sich auch im Jahr 2015 nichts geändert. So richtig zufrieden sind sie mit ihrem Leben zwar nicht, aber es könnte schlimmer sein. Patrice ist erfolgreicher Arzt (Spezialgebiet: Künstliche Befruchtung) und Eric besitzt ein Sushi-Restaurant. Während Patrice eine recht erfolgreiche Ehe führt (und sich immer öfter dabei ertappt, gelangweilt und/oder genervt zu sein) hat Eric nicht erst seit seiner Scheidung ständig neue Beziehungen (oft gleichzeitig) und dazu auch noch einen Haufen Steuerschulden. Da kommt es gar nicht so ungelegen, dass es beide durch einen eher konstruiert wirkenden Treppensturz direkt in „le meilleur moment de leur vie“ zurückwirft. Und die befindet sich für die Helden unserer 80er-Safari inmitten der bittersüßesten Adoleszenz zum Abi, beziehungsweise zum französischen Äquivalent, dem Bac, im Jahre 1986.
In Nostalgiegewittern
von Ulf
Ich hab einen Großteil meiner Jugend in den 1980ern verbracht, erkenne also viele Dinge aus dem Film wieder. Wir sind damals ganze Sommernachmittage beziehungsweise Ferientage auf Rollschuhen durch die Siedlung gefahren, sind auf Stelzen gelaufen und hatten all die eher freakigen Dinge dieser Zeit als Selbstverständlichkeit vor Augen. Ich mochte dieses Knisterbrausepulver genauso gern wie Patrice im Film. So eine Rollschuhbahn hätten wir damals auch gern gehabt, als im Fernsehen ein Bericht über eine Rolldisco in (glaube ich) München lief waren wir mild neidisch. Der dörfliche Metaller wurde eher mit Respekt denn mit Spott bedacht und von der örtlichen Telefonzelle aus haben wir Scherzanrufe mit Rudi-Carell-Akzent (Ihr wisst schon, „Lass Dir überraschen … schnell kann es geschehn …“) getätigt. Und die Mofas hat man nach dem Parken immer noch zwei bis drei Mal aufheulen lassen. Miami Vice war „Da shit“ und Dieter Bohlen damals schon shice. So hab ich mir von den 80ern im Film auch recht viel erhofft. Als die beiden total nackt im Terminator-Style im Keller ankamen war die Freude dann auch recht hoch. Leider (nee, eigentlich eher zum Glück) ist der Film dann aber doch keine hipsterige Retro-Klamotte (quasi die Langfassung dieses neuen Flohmarkt-Fanta-Spots) geworden, sondern konzentriert sich eher auf seine Story und benutzt die 80er nur als Aufhänger.
Schnuckelige Teenies, Silberfuchs und Tränensack
von Cathy
In einem Paris, in dem Dauerwelle und kanadischer Tuxedo (Jeanshose, Jeansjacke) der letzte Schrei sind, versuchen sich nun also Eric und Patrice wieder in alte Familenstrukturen einzufinden. Die Mütter sind wieder jung und frisch, die Väter noch lebendig. Dies geht naturelement mit einiger Reflexion Lebenslaufs, der Jugend, dem, was hätte sein können, dem, was man nun anders machen könnte, einher. Leise kriselt das Midlife. Die frongsösische Komödie strotzt dabei nicht vor Albernheit, bietet zwar ein paar flache Witze, doch ebenso genügend charmante Selbstreferenz und Anspielungen auf Geschehnisse zwischen damals und heute. Besonders originell und vor allem frech konsequent: Eric und Patrice versuchen ihre popkulturelle Clairvoyance an den Mann zu bringen, singen voll epischstem Pathos erfolgreiche Songs der Folgejahre, erzählen wirr und hektisch die Drehbücher französischer Kinoerfolge nach, prophezeien Fußballerfolge und so weiter. Der Witz mit dem Telefonkabel wird etwas ausgereizt, aber, um mal voreingenommen und ein bisschen stur zu sein: für eine französische Komödie ist der Anteil purer Albernheit doch sehr gering. Eine omnipräsente absurde Komik, ohne dass auf dieser bis zum Nasenbluten herumgeritten werden müsste, liefert der Kniff, dass Eric und Patrice 1986 tatsächlichs sowohl für sich, als auch für den Zuseher, optisch noch derselbe Silberfuchs und Tränensack sind. Bloß in spiegelnden Oberflächen sieht man ihr schnuckeliges Teenie-Äußeres. Ärger mit den Eltern, Schulprüfungen, Rollschuhbahnen und Interaktion mit Teeniegirls und Türstehern wirken dementsprechend bizarr.
Zweite Jugend, zweite Chance
von Domme
Neben diesen unterhaltsamen Konfrontationen wieder jung gewordener Männer mit ihrer veralteten Vergangenheit wird auch die zwischenmenschliche Geschichte weiter voran getrieben, denn es wäre ja zu einfach, wenn man sein Leben wirklich noch einmal neu, besser und fehlerfrei nachholen könnte.
So sorgt das erneute Kennenlernen seiner Frau bei Patrice für lang vergessene Schmetterlinge im Bauch und gleichzeitig für eine Menge Eifersucht über die Avancen, die Eric ihr plangemäß macht. Als ob ihre Teenagerseite die Oberhand gewonnen hätte, verhalten sich beide Protagonisten immer sturer im Werben um Patrices spätere Frau. Eric will sein Leben endlich in glückliche Bahnen lenken und Patrice doch nicht alles umwerfen, was ihm im vor dem Sprung in die Vergangenheit noch genervt und zu anstrengend vorgekommen war. Das wirkt leider nicht ganz so überzeugend, die Distanz zwischen den guten alten Freunden wächst zu schnell, wirkt zu gewollt und erzwungen. Gut gelungen ist dagegen die Entwicklung der Protagonisten in ihrem Verhältnis zu ihren Eltern. Zu Beginn noch durch reichlich Irritationen und wunderliches Verhalten von ihnen distanziert, kommen Eric und Patrice trotz gelegentlicher Rückschläge den Eltern, besonders ihren Vätern, immer näher, was vor allem für Eric in seiner ersten Jugend noch unerreichbar war.
Bis in die Eighties
von Fabian
Plötzlich wieder jung stellt ein cinematisches Naturgesetz auf den Kopf. Denn normalerweise läuft das so ab: Ein Film aus Europa, gerne eine französische Komödie, wird ein Erfolg und kommt als mittelmäßiges US-Remake in die Kinos. Hier ist es umgekehrt. Plötzlich wieder jung kopiert nämlich fast schon ein bisschen dreist die Grundidee der Zotenparade Hot Tub Time Machine. Statt vier Dummdödeln, die sich im Skiurlaub wegballern und den 80ern aufwachen, sind es hier zwei ganz normale Typen in der Midlife-Crisis. Aber was die kulturlosen Amis™ als Kotzgag-und-Sexwitz-Revue aufführen, wird unter der Regie von Dominique Farrugia zur charmanten und – trotz der aberwitzigen Prämisse – geerdeten Komödie. Die Achtzigergags („Sie sind doch David Guetta!“ oder: „Das ist doch der kleine Zidane!“) halten sich in Grenzen, wichtiger ist die runde Story. Auf Erklärungen verzichtet der Film zum Glück. Warum ein Treppensturz eine Zeitreise auslöst, ist im Grunde völlig egal. Den beiden gestandenen Männern gefangen im Teenagerkörper bei ihren Eskapaden zuzusehen ist auch so sehr unterhaltsam.
Disclaimer: Fischpott hat die Blu-ray von Plötzlich wieder jung zu Ansichtszwecken erhalten und im Original mit deutschen Untertiteln gesichtet.
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