Schock: Die Geister von Knightgrave
Moritat vom Meisterverbrecher
„Manche Männer … wollen die Welt einfach brennen sehen“
– Alfred in The Dark Knight

Der diabolische Herr Schock war eine der beeindruckendsten Comicfiguren meiner Kindheit. Das kriminelle Mastermind bot den beiden Detektiven Tif und Tondu (auf deutsch mal Gin und Fizz oder Harry und Platte) die Stirn, passte aber nie so richtig zu den beiden pummeligen Helden. Schock war Gestalt gewordene Eleganz: Smoking, Zigarettenspitze und Ritterhelm machten das Outfit des „unheilvollen Ritters“ aus, der nie demaskiert wurde. Ganz im Stil von Fantomas und Doktor Mabuse gebot Schock über ein Heer von Gangstern und konnte seinen Widersachern stets im letzten Augenblick entwischen.
Die Origin Story des Monsieur Choc
Jetzt, fast 60 Jahre nach seinem ersten Auftritt 1955 ist Schock zurückgekehrt. Der Zeichner Eric Maltaite hat zusammen mit dem Autor Stéphan Colman und der Coloristin Lady C. die Vorgeschichte des Superschurken erzählt. Im ersten Band, Die Geister von Knightgrave verschachtelt sich die Geschichte auf mehreren Zeitebenen. Wir sehen, wie das maskierte Verbrechergenie in den Fünfzigern ein Herrenhaus in Essex erwirbt. In Rückblenden erleben wir, wie sich die Französin Jeanne im ersten Weltkrieg in den englischen Soldaten Eden verliebt. Nach Kriegsende zieht sie mit ihrem Sohn, ebenfalls Eden genannt, nach London und findet ihren vom Krieg gebrochenen Liebhaber wieder. Weitere Rückblenden in den Dreißigern zeigen die Ankunft Jeannes im Herrenhaus Knightgrave, wo sich der junge Eden Cole mit Lord Essex anfreundet und die Eifersucht dessen Sohnes weckt. Zurück in den Fünfzigern bereitet sich die Polizei am Flughafen Blackwish auf einen Goldtransport des Schweizerischen Bankvereins und die Ankunft des Sultans Al Rosy mit seinem blauen Diamanten „Die Nacht der Wüste“ vor. Zusammen ergeben Edens unheilvolle Biographie und Schocks perfekt orchestrierte und brutal durchgeführte Verbrechen eine kunstvoll miteinander verwobene Erzählung. Der Band endet mit dem Aufbruch des jungen Eden nach Limehouse und Scotland Yards Beamten, die vor einem Rätsel stehen.

Schockierend modernisiert
Was für eine Rückkehr! Ein Prequel, insbesondere nach so langer Zeit, hat zunächst meine Skepsis erregt. Aber Schock erweist sich als im richtigen Maß modernisiert. Waren Tif et Tondu eher eine Funny-Reihe, ist die Reihe um Monsieur Choc ziemlich brutal. Weder die Geschichte von Eden Cole noch die Verbrechen von Schock sind harmlos: Maltaite und Colman zeigen Bombenattentate, Schießereien und Kriegsverletzungen. Auch Vergewaltigungen spart das Duo nicht aus. Tod und Elend sind in den Dreißigern für die Londoner Unterschicht allgegenwärtig und Schocks Gangstertruppe „Weiße Hand“ kennt keine Rücksicht, wenn es um Gold, Diamanten und die Befehle vom Boss geht. Aber auch wenn Schock weder ein Gentlemangangster noch ein Robin Hood ist, erinnert er sich an die wenigen Menschen, die gut zu ihm waren und zahlt seine „Schulden“.

Die Story von Colman lebt vom Temporalkolorit. Er schildert die Zwischenkriegszeit und die Fünfziger lebhaft und baut historische Ereignisse wie den britischen Generalstreik von 1926 in die Handlung ein. Besonders Rechtlosigkeit ist ein prägendes Thema. Ob es um Frauen aus der Unterschicht geht, die sich prostituieren müssen oder um Teenager, die in sogenannten Besserungsanstalten misshandelt werden. Die Bilder von Maltaite, Sohn des Schock-Miterfinders Will, sind realistisch und detailliert. Mitunter erinnern sie an Szenen aus Noir-Filmen oder aus europäischen Gangsterfilmen der Fünfziger. Das einzige Manko ist, dass in manchen Szenen nicht klar wird, ob die Figuren gerade französisch, englisch oder deutsch reden.
Die Geister von Knightgrave: Ein Fazit
Insgesamt zeigt Die Geister von Knightgrave als Auftakt der neuen Schock-Reihe, dass die frankobelgische Comicszene immer noch sehr vital ist. Empfohlen sei der Band allen Fans von Superschurken und Erzverbrechern. Einzig der Preis von 29 € könnte etwas abschrecken. Einen kurzen Blick in das Buch gibt es beim Verlag Salleck Publications.

Disclaimer: Fischpott hat ein Rezensionsexemplar vom Verlag erhalten. Teil Zwei haben wir nach Erscheinen dieses Textes besprochen.